Der Sohn des Sehers 01 - Nomade
warf. Awin sah schuldbewusst nach unten. Seine Stiefel! Er hatte Sand und Staub in dieses Heim getragen, aber da war er nicht der Einzige.
»Ich habe den Rat der Männer einberufen, weil wir eine Entscheidung treffen müssen«, begann Aryak. »Wie ihr wisst, sagt Currus Traum, dass der Fremde nach Serkesch gehen wird. Doch enthält dieser Traum viele Unwägbarkeiten. Vielleicht verkauft der Feind seine Beute vorher an der Eisenstraße, vielleicht überdenkt er sein Ziel, vielleicht trennen sich die Wege der beiden Männer, die wir verfolgen.«
Die Krieger sahen sich besorgt an. Wie oft sollten sie ihre kleine Schar denn noch aufteilen?
»Hast du einen Vorschlag, ehrwürdiger Yaman?«, fragte sein Sohn Ech. Dass er die förmliche Anrede wählte, zeigte, dass ihm der Ernst der Lage bewusst war.
»Den habe ich, mein Sohn. Ich denke, wir sollten Yaman Auryd um Hilfe bitten.«
Die Männer schwiegen und bedachten den Vorschlag. Bale meldete sich als Erster zu Wort: »Sagtest du nicht, ehrwürdiger Yaman, dass diese Angelegenheit unter uns bleiben sollte?«
»Das sagte ich, doch verbindet uns viel mit Auryds Sippe. Wie du weißt, ist er mein Halbbruder.«
»Das weiß ich wohl, ehrwürdiger Yaman, doch hörte ich auch, dass seine Herrschaft über den Klan des Schwarzen Fuchses nicht unumstritten ist«, erwiderte Bale.
»Deine Ohren sind größer als die deiner Pferde, scheint mir, Bale. Sein Schwiegervater hat ihn zum Erben bestimmt, und niemand hat bisher gewagt, ihn herauszufordern.«
Bale schnaubte verächtlich. Offenbar ärgerte er sich immer noch über die Geschichte mit den Pferden, anders war es nicht zu erklären, dass er es hier, in der Versammlung der Männer, so offensichtlich an Achtung fehlen ließ.
»Von uns stellt niemand Yaman Auryd in Frage«, warf Tuwin ein. »Du willst ihn also um Männer bitten?«
»Ich werde ihn um jeden Mann bitten, den er entbehren kann. Es ist ja auch nicht nur Auryd, der uns mit diesem Klan verbindet. Elwahs Schwiegertochter Hengil stammt aus dieser Sippe, und hast du nicht selbst, Bale, zwei deiner Töchter dorthin verheiratet?«
Bale nickte mürrisch und sagte: »Es mag schon sein, dass die Bande stark genug sind und dass sie uns helfen werden, vor allem, wenn sie erfahren, was mit Elwah und seinen Söhnen geschehen ist. Doch bezweifle ich, dass sie es umsonst tun werden.«
»Wir werden eine Verpflichtung eingehen müssen, das ist gewiss«, gab Aryak zu.
Awin wusste, dass dies eine gefährliche Sache war. Sollte die Sippe Auryds einmal in Schwierigkeiten geraten, waren sie zur Hilfe verpflichtet - gleich, welcher Art diese Schwierigkeiten waren. So manche Sippe war durch eine Verpflichtung schon ins Unglück gestürzt worden.
»Willst du ihnen auch vom Heolin erzählen?«, fragte Tuwin.
»Er wird es erfahren, denn sonst wird er kaum verstehen, warum wir so dringend seine Hilfe fordern.«
»Ich nehme an, du willst einen Boten schicken?«, fragte Mewe der Jäger.
Das war naheliegend. Sie waren kaum so eilig hierhergehetzt, um nun bei einem weiteren Umweg wieder Zeit zu verlieren. Awin dachte nach. Das war eine heikle Entscheidung. Sie würden Zeit sparen, aber es mochte sein, dass sie den Feind
erwischten, bevor Auryd zu ihnen gestoßen war. Die Verpflichtung wären sie dann dennoch eingegangen. Aber die Lage war so ernst, dass der Yaman wohl nicht anders konnte. Doch welchen Krieger würde Aryak mit dieser wichtigen Botschaft betrauen?
Aryak hatte einen Augenblick mit seiner Antwort gezögert, doch jetzt sagte er: »Eine Botin, um genauer zu sein, denn ich denke, dass Wela dieser Aufgabe gewachsen ist.«
»Die Tochter des Schmieds?«, rief Bale mit ungläubigem Staunen. »Willst du eine so ernste Angelegenheit in die Hand dieses unreifen Weibes legen?«
»Ich werde sie jedenfalls nicht in deine Hand legen, Bale, denn du wirst an meiner Seite und schon weit von hier fort sein, wenn Wela meinen Bruder erreicht.«
»Aber ein Weib?«, fragte Bale noch einmal.
»Meine Tochter ist eine bessere Reiterin als du, Bale«, erklärte Tuwin freundlich lächelnd, »zumindest tragen die Pferde sie lieber als dich. Außerdem kann sie mit einem Mann reden, ohne gleich Streit mit ihm anzufangen.«
Das saß. Der dicke Bale hielt verstimmt den Mund.
»Auryd hat gute Männer«, meinte der Schmied dann, »ich kenne viele von ihnen. Mit ihrer Hilfe werden wir den Feind finden und töten. Wenn er uns denn einholen kann.«
»Um diese Zeit lagert der Schwarze Fuchs für gewöhnlich
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