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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Junge erklärt. Er war jünger als Awin und zuvor noch auf keinem Beutezug gewesen, aber was Pferde anging, da machte ihm niemand etwas vor. Er kannte jedes Tier der Herde und hatte wirklich die besten Tiere für seine Waffenbrüder ausgesucht. Seine Wahl war so gut, dass sein Großvater Bale alles andere als glücklich darüber war. Awin sah, wie er seinen Enkel zur Seite nahm und mit wütenden Vorwürfen überhäufte. Irgendwann trat Tuwin der Schmied dazu und beruhigte den aufgebrachten Pferdezüchter. Awin sattelte den Schecken, dann zog er ihn zum Zelt seiner Familie.
    »Ihr habt ihn also noch nicht gefangen«, stellte Gunwa, seine Schwester, fest, als Awin ins Zelt trat. Es war gerade erst fertig aufgebaut und noch gar nicht eingerichtet worden. Als er ins Lager gekommen und vom Pferd gestiegen war, war ihm Gunwa um den Hals gefallen und hatte ihn fast umgeworfen
in ihrer Freude, ihn gesund und munter wiederzusehen. Aber jetzt wirkte sie wieder so ruhig und zurückhaltend, wie sie es immer war.
    Awin zuckte mit den Achseln. »Wir wollen ihn nicht fangen, sondern töten«, erklärte er trocken.
    Seine Schwester sah ihn stirnrunzelnd an. »Dennoch müsst ihr ihn erst einmal fangen, oder?«
    »Das ist schon richtig, Schwester, aber ich glaube, wir werden ihn bald haben.«
    Gunwa senkte ihre Stimme: »Hast du es gesehen?«
    Awin schüttelte den Kopf. »Nein, Schwester, ich habe den Feind nicht gesehen. Und auch das, was im Grastal geschah, habe ich nicht vorhersehen können.« Er fühlte sich plötzlich unendlich müde und fragte sich wieder einmal, ob sein Vater sich vielleicht doch geirrt hatte, was ihn betraf. Er hatte behauptet, die Sehergabe sei ihm in die Wiege gelegt worden, aber davon bemerkte Awin herzlich wenig. Vielleicht hatte ja auch Curru Recht. Der Alte war ein erfahrener Seher, und noch nie hatte er behauptet, dass auch Awin das Zeug dazu hätte.
    »Hat Curru dich wieder einmal heruntergeputzt?«, fragte Gunwa.
    »Wie kommst du denn da drauf«, wehrte Awin ab.
    »Ich sehe es dir immer an, wenn er dich tadelt. Du siehst dann aus wie ein Lamm, das getreten wurde.«
    »Na, vielen Dank«, murmelte Awin.
    Gunwa legte ihm die Hand auf den Arm. »Schau, Bruder, er ist unser Ziehvater, und er ist streng. Ebenso wie Egwa, unsere Ziehmutter.«
    »Sie meinen es gut mit uns«, erwiderte Awin.
    »Bei Egwa weiß ich das sicher«, antwortete seine Schwester und sah ihm dabei fest in die Augen.

    »Was ist bei mir sicher?«, fragte Currus Frau, die gerade durch den Zelteingang trat.
    »Dass wir immer eine gute Suppe bei dir bekommen werden, Mutter Egwa«, rief Gunwa lachend.
    »Soso. Dieser junge Mann hier sieht aus, als hätte er sie nötig. Und auch ein Bad im Bach könnte ihm nicht schaden. Was die Suppe betrifft, so werde ich sehen, was sich machen lässt. Aber jetzt solltest du in das Yamanszelt gehen, Awin, Aryak hat wieder nach dir gerufen.«
    »Nach mir?«, fragte Awin verblüfft.
    »Nach den anderen Männern auch, also bilde dir bloß nichts ein. Und jetzt beeil dich, oder willst du das Oberhaupt deiner Sippe warten lassen? Und du, junge Frau, wirst dich endlich nützlich machen. Sonst wird dieses Zelt nie aussehen wie ein Zuhause.«
    Als Awin das Zelt verließ, hielt ihn Egwa noch einmal kurz fest: »Der kleine Lewe hat immer noch keinen Ton gesprochen. Nie ging mir etwas mehr zu Herzen als das Leid dieses Knaben. Ich hoffe, ihr tötet den, der dafür verantwortlich ist, und ich hoffe, du bist meinem Mann dabei endlich einmal die Hilfe, die er verdient!«
    Awin nickte verdrossen. Sie ließ ihn los, und er lief eilig zum Yamanszelt. Unterwegs kam ihm Eri, der jüngste Sohn Aryaks, entgegen, der mit einer Weidenrute Blumen köpfte. Irgendetwas schien den Jungen verärgert zu haben, aber Awin fragte nicht nach. Er hatte Wichtigeres zu tun, als auf die Launen dieses Knaben einzugehen. Als er ins große Zelt trat, warteten der Yaman und Curru dort, ebenso Mewe und Tuwin der Schmied. Auch Ebu und Ech saßen dort auf ledernen Kissen. Jedoch trank keiner von ihnen den sonst unvermeidlichen Kräutersud - ein Zeichen dafür, dass es keine sehr lange Versammlung werden würde.
    »Mach doch bitte Platz, junger Seher«, schnaufte es hinter
ihm. Der dicke Bale drängte sich ins Zelt. Awin stellte überrascht fest, dass er der einzige Jungkrieger im Zelt war. War Eri deshalb so zornig, weil er nicht dabei sein durfte? Noch jemand war da: Gregil, die Frau Aryaks, die einen sehr ernsten Blick auf die Stiefel der Männer

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