Der Sohn des Sehers 01 - Nomade
missmutig. »Vielleicht reiten wir doch zu einem Fest - unserer eigenen Trauerfeier, was meinst du, junger Seher?«
Awin runzelte die Stirn. Es kam nicht oft vor, dass Bale ihn nach seiner Meinung fragte. »Ich meine, das Wasser löscht meinen Durst, Meister Bale. Und im Augenblick ist es mir lieber als Stutenmilch oder Brotbier.«
»Und unser Ziel«, fragte der Pferdezüchter lauernd, »hast du gesehen, was uns dort erwartet?«
»Nein, Meister Bale, das habe ich nicht«, lautete die schlichte Antwort. Vermutlich suchte der dicke Züchter nur nach Verbündeten.
Jetzt, da sein Sohn Malde nicht hier war, um ihn zu unterstützen, war ihm vermutlich aufgegangen, dass er allein gegen den Yaman stand. Awin spürte wenig Lust, sich auf die Ränkespiele des alten Querkopfs einzulassen. Es half ihm aber nichts. Als er abends seine Wache antrat, kam Ebu zu ihm. »Ich habe gesehen, dass du dich lange mit dem Dicken unterhalten hast, Awin.«
Awin sah den ältesten Sohn des Yamans überrascht an. »Er ist mein Sgerbruder«, antwortete er schlicht.
»Dein Bruder? Du bist nicht in diesem Klan geboren, vergiss das nicht, Awin, Kawets Sohn. Und denke nicht, dass ich nicht ein Auge auf dich und deine Freunde habe!« Und damit ließ Ebu ihn stehen.
Awin fragte sich, was er dem Yamanssohn getan hatte, dass dieser ihn so hasste, aber er fand darauf keine Antwort. Vielleicht war es auch nur Skefer, der verfluchte Wind, der sie alle reizbar machte.
Der nächste Tag unterschied sich nur wenig von dem vorigen. Sie brachen noch in der Nacht auf, rasteten nur, wenn die Pferde Wasser brauchten, und hielten sich nahe der lebensfeindlichen Slahan. Allmählich kamen sie in Gegenden, die Awin nicht kannte. Der Klan vom Schwarzen Berg pflegte seine Herden viel weiter nördlich zu weiden. Auch die Sippen dieses Landstrichs hatten sicher viele junge Männer, aber die kamen nicht in Aryaks Lager, wenn sie auf Brautschau gingen, und noch kein Mann von Aryaks Klan hatte das Brautjahr so weit im Süden verbracht.
»Werden wir uns auch nicht verirren, Meister Mewe?«, fragte Tauru am Mittag des zweiten Tages den Jäger.
Der schüttelte den Kopf. »Ich kenne diese Gegend, und auch die anderen Meister waren schon hier, junger Krieger. Das ist
der Weg, der zur Eisenstraße führt. Früher, als uns noch nicht Horkets mächtige Sippe mit all ihren Verbündeten und Verpflichteten den Weg versperrte, da zogen wir hier nach Süden, um uns an der Eisenstraße zu holen, was wir für den Winter brauchten.«
»An der Eisenstraße?«, fragte Tauru nach. Er musste die alten Geschichten doch kennen, dachte Awin und vermutete, dass dem Jungkrieger einfach nur langweilig war und er versuchte, aus Mewe eine Geschichte herauszukitzeln.
Aber der Jäger war einsilbig. »Das ist lange her, und die Zeiten haben sich geändert«, sagte er, und dann trieb er sein Pferd an, um zum Yaman aufzuschließen.
Das waren wirklich andere Zeiten, dachte Awin. Angeblich, so hatte ihm seine Mutter erzählt, hatte sein Vater den Aufstieg Horkets zum Heredhan vorausgesehen. Geholfen hatte es aber weder ihm noch seinem Klan, der von Horket vernichtet worden war.
»Woran denkst du? Siehst du etwas?«, fragte Mabak, der mit Awin meist am Ende des Zuges ritt. Er hatte wohl aus dem abwesenden Gesichtsausdruck des Sehers falsche Schlüsse gezogen.
»Nein, gar nichts, Mabak, Maldes Sohn«, antwortete Awin und versuchte ermutigend zu lächeln. Mabak hatte es nicht leicht mit seinem Großvater Bale, seit er die besten Tiere aus der Herde für Awin und die anderen ausgesucht hatte. Bale war wirklich kleinlich. Er tat fast, als habe man ihm Hab und Gut geraubt, dabei hatten neben Awin nur Tauru, Eri und Curru seine Großzügigkeit in Anspruch genommen. Bei seinem Ziehvater hatte Awin den Verdacht, dass er es nur getan hatte, um den Pferdezüchter zu ärgern. Er besaß selbst noch einen zähen Wallach, hatte sich aber von Mabak einen prachtvollen Rotschimmel aussuchen lassen, angeblich, weil er als Seher
Anspruch auf ein weißes Pferd hatte. Falls es diese Sitte wirklich gab, war sie ziemlich neu. Awin hatte jedenfalls noch nie davon gehört.
Am nächsten Morgen wurde Skefer abgelöst durch Isparra, die sie die Zerstörerin nannten. Isparra war ein stetiger starker Wind, nicht so gewaltig wie Nyet, aber da, wo der Angreifer sich in wenigen Stunden verausgabte, blies die Zerstörerin den Sand tagelang scharf über die Dünen, ohne je müde zu werden. Manchmal kam sie für einen Tag,
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