Der Sohn des Sehers 01 - Nomade
Isparra unermüdlich über die Ebene blies, eine dunkle Linie.
»Dieses Buschwerk gehört zu einem Bachlauf, ich erkenne es wieder«, erklärte Mewe. Er sprang aufs Pferd und ritt nach vorne, um Aryak zu unterrichten. Der Yaman ließ sie wieder aufsitzen.
»Endlich«, stöhnte Bale, »viel weiter hätte ich auch nicht mehr laufen können.«
»Aber es bekommt dir, mein Freund«, rief Tuwin ihm gutgelaunt zu, »du hast schon viel von deinem Fett verloren. Ich glaube, dein Pferd erkennt dich fast nicht wieder.«
»Wenigstens ist es mein Pferd, Tuwin«, gab Bale giftig zurück.
Tuwin lachte nur, denn auch der Schmied ritt sein eigenes Tier und keines aus der Herde des Züchters.
Sie waren dem Bachlauf schon ein gutes Stück näher gekommen, als Mewe plötzlich die Hand hob. Unverzüglich hielten sie ihre Pferde an. Dort drüben am Bach bewegte sich etwas. Awin hörte einen lang gezogenen Pfiff. Ein Pferdekopf tauchte auf, dann ein weiterer, schließlich zeigte sich dort drüben eine ganze Herde, streunte kurz in die offene Ebene, dann kamen zwei Reiter hinzu und trieben sie mit Pfiffen zurück. Die Herde verschwand wieder hinter den Büschen. Hatten die Männer sie gesehen? Ein einzelner Reiter erschien in der Ebene. Er ritt langsam, und er hatte sie ohne Zweifel entdeckt. Er streckte sich im Sattel und beschattete die Augen, vermutlich mehr wegen des Staubs als wegen der Sonne. Dann hielt er sein Tier an. Sein schwarzer Reitmantel flatterte im Wind. Es war ein Hakul. Der Sger sammelte sich um Yaman Aryak. Der Reiter machte keinerlei Anstalten, ihnen entgegenzukommen.
»Sollen wir unser Glück an einer anderen Stelle versuchen?«, fragte Tuwin.
»Er hat uns gesehen. Wenn wir weiterziehen, wird das mehr Fragen aufwerfen, als wenn wir mit ihm reden«, meinte der Yaman.
»Zu welchem Klan mag er gehören, Mewe, weißt du es?«, fragte Bale.
»Es ist lange her, dass ich in dieser Gegend war, Bale«, wich der Jäger einer klaren Antwort aus.
Curru zog das Feldzeichen des Sger aus dem Futteral, aber er legte es quer vor sich in den Sattel, als Zeichen, dass ihr Zug nicht gegen die Sippe des Unbekannten gerichtet war. Der Yaman hob die Hand, und sie setzten sich langsam in Bewegung. Der Fremde ließ sie herankommen. Weder rief er nach seinen Gefährten, noch griff er nach seinen Waffen. Er trug seinen Staubschal lässig um den Hals, nicht vor dem Gesicht, kaute auf einem kleinen Zweig, den er von einem Mundwinkel in den andern wandern ließ, und betrachtete sie mit unverhohlener Geringschätzung. Er schien sich völlig sicher zu fühlen, und Awin fragte sich, warum das so war. Er war ein einzelner Hakul, vielleicht mit noch zwei oder drei Helfern. Sie waren ein fremder Sger. Er sollte besorgt sein, aber er war es nicht. Auf einen Wink des Yamans schwärmte der Sger aus und bildete die Schlachtreihe. Als sie nur noch wenige Schritte vom Reiter entfernt waren, hielten sie erneut. Der Hirte sah sich das Schauspiel mit unbewegter Miene an, dann deutete er auf die Bronzescheibe am Sgertan und fragte: »Was ist dies für ein Zeichen? Ich kenne es nicht.«
»Es ist das unsere. Wir sind der Sger der Schwarzen Berge.«
»Auch diesen Klan kenne ich nicht, aber von den Schwarzen Bergen habe ich gehört. Ihr seid weit von der Heimat entfernt, Hakul«, meinte der Hirte.
»So ist es«, antwortete Aryak, »und unser Weg führt uns noch weiter von unserer Heimat fort. Sag mir deinen Namen, Mann, und sag mir, wessen Weiden wir hier durchqueren.«
Der Hakul nahm den Zweig aus dem Mund, spuckte aus und antwortete: »Es ist nicht dein Land, Hakul, so denke ich, dass nicht du hier die Fragen zu stellen hast.«
Awin merkte, wie die Krieger unruhig wurden. Der Fremde begegnete ihnen mit an Verachtung grenzender Überheblichkeit. Für wen hielt er sich? Aryak blieb gelassen.
»Verzeih, edler Krieger, wenn ich dich zuerst nach deinem Namen fragte, denn als Yaman meines Sgers bin ich gewohnt, dass ein einzelner Reiter sich mir vorstellt, wenn ich ihn treffe. Doch mag in dieser Gegend die Sitte anders sein. Ich bin Yaman Aryak, und vielleicht gibst du mir die Ehre, mir nun deinen Namen zu verraten?«
Ein Reiter tauchte zwischen den Büschen auf. Ein Jungkrieger, sicher nicht viel älter als Awin. »Was sind das für Reiter, Baba?«, rief der Junge und griff nach dem Bogen, der im Köcher steckte.
»Fremde, die sich verirrt haben, denke ich. Kein Grund zur Aufregung, mein Sohn. Sie werden still weiterziehen und uns nicht belästigen,
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