Der Sohn des Sehers 01 - Nomade
Drei Pferde bot er mir, abgekämpft, aber von gutem Blut. Ich gab ihm zwei von den meinen. Nicht die besten, aber auch keine schlechten, denn solche findest du nicht in meiner Herde.«
»Mir scheint, du warst freundlicher zu ihm als zu uns, Hakul. Ich weiß doch, wie ihr Züchter an euren Tieren hängt, und mag kaum glauben, dass du dich auf diesen Handel mit einem Fremden eingelassen hast. Oder hat er dir noch mehr gegeben als diese drei Tiere?«
»Ich habe dir gesagt, was ich zu sagen habe, und nun solltet ihr endlich von unseren Weiden verschwinden, bevor ich meinen Großmut mit dir und deinem Gesindel bereue, Yam…«
Der Hakul stockte. Sein Mund stand offen, aber es kam kein Wort mehr heraus, nur Blut. Ein schwarzer Pfeil steckte ihm in der Kehle. Einen Augenblick noch hielt er sich im Sattel, dann sank er leblos vom Pferd. Ein heller Schrei erklang: »Hakul!«, jubelte die Stimme. Es war Eri, der triumphierend seinen Bogen in die Höhe hielt.
»Achtung«, schrie eine zweite Stimme.
Awin zog instinktiv den Kopf ein, als er ein bösartiges Sirren hörte. Ein Pfeil zischte dicht an ihm vorbei. Ein zweiter bohrte sich in Tuwins ledernen Schild. Awin sah die beiden Söhne des Toten. Ihre Gesichter waren blass, jetzt griffen sie zu den Zügeln, gaben ihren Pferden die Fersen und sprengten davon.
»Ihnen nach, Männer«, rief der Yaman, aber das war gar nicht nötig, denn die Krieger hatten bereits die Verfolgung der Flüchtenden aufgenommen. Nur Awin hatte erschrocken gezögert. Jetzt sah er seine Waffenbrüder davonjagen, gab dem Schecken die Fersen und galoppierte ihnen hinterher. Es ging hinaus in die Ebene jenseits des Baches. Buschwerk und schüttere Bäume standen hier im Wind. Vor den Kriegern stob
die Herde des Hakul in wilder Panik auseinander. Wo waren die beiden Flüchtenden? Isparra wehte Staubschleier über die Ebene. Awin sah Bale, den letzten der Verfolger, und holte ihn schnell ein. Dann entdeckte er Mewe, der sich links hielt, und Ebu, der nach rechts schwenkte. Offenbar hatten ihre Feinde sich getrennt. Awin musste seinen Schecken hart herumreißen, weil plötzlich ein herrenloses Pferd vor ihm querschoss. Er fiel zurück.
Dann entdeckte er einen der beiden fremden Hakul. Er jagte sein Pferd eine Böschung entlang, verfolgt von Mewe und Marwi. Geschickt nutzte er Büsche und Bäume als Deckung, schlug immer wieder Haken. Ech und Eri tauchten seitlich auf. Pfeile schwirrten durch die Luft, aber Isparra nahm sie und verwehte sie. Auch Awin zog hastig seinen Bogen aus dem Köcher, legte einen Pfeil auf. Sein Schecke verstand den Druck seiner Schenkel und galoppierte noch schneller. Vielleicht würde es ihm gelingen, vor den Feind zu gelangen. Den anderen konnte er nicht sehen. Awin hetzte sein Pferd weiter - wenn er ihm den Weg abschneiden könnte, würden sie ihn bald stellen. Der junge Hakul hing tief im Sattel und bot nur ein kleines Ziel. Dann schrie er plötzlich auf. Sein Pferd schwenkte im vollen Lauf nach links. Awin sah, dass der Krieger getroffen war, ein gefiederter Pfeil ragte aus seinem Rücken hervor. Sein Tier hetzte weiter, machte allerdings einen Bogen, vielleicht um Awin auszuweichen. Seine Verfolger, die den Bogen schneiden konnten, holten auf. Sie waren nur noch wenige Pferdelängen hinter dem Verfolgten. Dieser richtete sich plötzlich auf, drehte sich um und ließ nun seinerseits einen Pfeil von der Sehne schnellen. Marwi schrie auf. Sein bereits gespannter Bogen glitt ihm aus der Hand, und er wurde langsamer.
Mewe stieß einen wütenden Ruf aus und schoss. Doch der Flüchtende hatte gerade einen scharfen Haken geschlagen, und
so ging der Pfeil fehl. Dieser Haken führte den Jungkrieger wieder in seine alte Richtung. Er hielt jetzt geradewegs auf Awin zu. Awin ließ seinen Schecken halten und spannte seinen Bogen. Der andere bemerkte ihn, für den Bruchteil einer Sekunde wurde er langsamer - und das war sein Verhängnis. Aus dem Augenwinkel sah Awin, wie der schwarz gefiederte Pfeil von Mewes Hornbogen auf sein Ziel zuschnellte. Der Hakul zuckte kurz zusammen, sein Körper erschlaffte, und sein Pferd wurde langsamer. Er kam weiter auf Awin zu, mit starrem Blick, und dann rutschte er langsam von seinem Tier. Awin ließ seinen Bogen sinken.
»Fang das Pferd ein, junger Seher!«, rief ihm Mewe zu, aber das war gar nicht nötig, denn das Tier trabte noch einige Schritte, blieb stehen und kehrte langsam zu seinem toten Herrn zurück. Awin folgte ihm.
Der Jungkrieger, der dort
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