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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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weiden ihre Herden im Staubland, warum muss es ausgerechnet diese sein?«
    Awin hörte ihn jammern, aber er war mit seinen Gedanken weit weg. Heredhan Horket. Dieser Name weckte die schlimmsten Erinnerungen. Horkets Krieger hatten seinen Klan, den Klan der Schwarzen Dornen, ausgelöscht, als er noch klein gewesen war. Seine Mutter hatte nie darüber gesprochen und ihm verboten, es selbst jemals zu erwähnen oder danach zu fragen. Und so lagen die Ereignisse, die zum Tod fast aller seiner Verwandten geführt hatten, für ihn verborgen hinter einem Schleier des Schweigens. Er sah hinüber zu Curru. Er musste über diese Geschichte Bescheid wissen. Es war vielleicht Zeit, ihn danach zu fragen, später, wenn sie ungestört waren.
    »Deine Söhne sind prachtvolle Reiter, Yaman Aryak«, rief Tuwin schon von weitem. Er war der Nächste, der zurückkehrte.
    »Habt ihr den anderen auch erwischt?«, fragte Curru, als der Yaman nichts sagte.
    »Ich sah den einen fallen, von drei Pfeilen getroffen«, rief der Schmied, noch außer Atem von der wilden Jagd. »Und hier sehe ich den zweiten schon neben seinem Vater liegen. Wir waren siegreich.«
    »Es ist vielleicht nicht angebracht, zu jubeln, Tuwin«, rief Bale. »Besser, du steigst von deinem Pferd und kümmerst dich um den Verwundeten.«
    Der Schmied sprang besorgt vom Pferd. Er besah sich die Wunde und meinte: »Du hast Glück, Marwi, denn ich fühle, dass der Pfeil nur im Fleisch und nicht im Knochen steckt. Es
wird nicht viel mehr zurückbleiben als eine Narbe, mit der du die Mädchen beeindrucken kannst.« Und dabei schlug er dem Jungen aufmunternd auf die gesunde Schulter. Seine gute Laune verflüchtigte sich jedoch, als er erfuhr, zu welchem Klan die Toten gehörten.
    Bald nach ihm kamen die anderen. Ebu und Eri vorneweg, auch sie führten ein Pferd am Zügel, auf dessen Rücken eine Leiche lag. Eris Pferd tänzelte unruhig. Die Aufregung seines Reiters schien es angesteckt zu haben.
    »Alle drei, Baba, ich habe sie alle drei getroffen!«, rief er mit hochrotem Gesicht und völlig außer Atem.
    »Aber getötet hast du nur den ersten, kleinen Bruder!«, wies ihn Ebu zurecht. Sie hatten die Wartenden erreicht und ließen den Toten neben seinem Vater zu Boden gleiten. »Den hier«, erklärte Ebu, »habe ich selbst getötet, und dort sehe ich den anderen. Tengwil war uns gnädig, Baba.«
    »War sie das? Wirklich? Komm her zu mir, Eri.«
    »Aber den ersten habe ich getötet, mit nur einem einzigen Schuss, Baba!«, rief der Junge aufgekratzt.
    »Und hast du nicht gehört, was ich ihm versprochen habe?«
    »Versprochen? Er war ein Verräter an unserem Volk«, erwiderte Eri. Er wirkte mit einem Mal verunsichert. Der Tonfall seines Vaters sagte ihm wohl, dass er nicht das erhoffte Lob erhalten würde. Als sein Vater schwieg, fuhr er trotzig fort: »Er hat mit dem Mörder meines Vetters Handel getrieben. Versprechen gelten nicht bei Verrätern.«
    »Das Wort eines Yamans gilt immer, gleich, wem er es gibt«, fuhr ihn Aryak an.
    Eri starrte seinen Vater an. Awin sah Tränen der Wut in seinen Augen. Der Jungkrieger fühlte sich ungerecht behandelt.
    »Geschehen ist geschehen, Baba«, versuchte Ech zu vermitteln.

    »Und du musst zugeben, es war ein guter Schuss«, meinte Ebu.
    »Gut? Wisst ihr denn, wen sein Pfeil getroffen hat? Nein, danach fragt ihr nicht, berauscht von der Jagd und eurem traurigen Erfolg. Seht ihr das? Seht ihr den Dolch? Dieser Mann und seine beiden Söhne gehören zum Klan Horkets. Vielleicht wird ja der Heredhan eure Künste mit dem Bogen loben, wenn er davon erfährt - ich werde es sicher nicht tun!«
    Die Krieger schwiegen betroffen. Nur Eri riss heftig am Zügel seines Pferdes, gab ihm die Fersen und preschte davon. Awin sah, dass er mit seinen Tränen zu kämpfen hatte.
    »Ebu, Ech, reitet ihm nach. Er hat sich um einen Toten zu kümmern, wenn er sich beruhigt hat«, erklärte Aryak mit gezwungener Ruhe.
    Tuwin hatte unterdessen ein Feuer vorbereitet, um seine Klinge zu erhitzen. Er musste die Pfeilspitze herausschneiden, wie es Awin befürchtet hatte. Er konnte sehen, wie viel Angst Marwi davor hatte, auch wenn der Schmied behauptete, es täte kaum weh. Ein Stück entfernt davon standen die Männer um die drei Toten versammelt.
    »Was sollen wir jetzt tun?«, fragte Bale.
    Die Männer starrten schweigend auf die Leichen. Sie alle dachten wohl dasselbe - warum musste es ausgerechnet dieser Klan sein, warum nicht einer der vielen anderen, die in dieser Gegend

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