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Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger

Titel: Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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bereit. Er konnte sehen, dass sie versuchten, ihre Anspannung zu verbergen.
    »Geier und Krähen kreisen immer dort. Dort liegt der Begräbnisplatz der Viramatai, den ich heute Morgen erwähnte. Du musst wissen, dass sie ihre Toten weder Erde, Wasser noch Feuer anvertrauen.«
    Aus dem Augenwinkel sah Awin, wie die Krieger seines Sgers sich von den Männern Gerwis absetzten. Vorsichtig, nur so weit, dass sie Platz für einen Angriff bekamen. Die zehn Reiter waren jetzt beinahe heran. Noch hatte kein Krieger eine Waffe in der Hand, noch konnte das alles friedlich enden.
    »Wie beerdigen sie sie dann?«, fragte Awin, der nach einem Weg suchte, das Kommende zu verhindern.
    »Sie errichten offene Türme, die den Wind abhalten, aber Geier und Krähe einladen«, erklärte Gerwi. »Sie sollen die Toten in die Lüfte tragen, Edhil entgegen.« Er sprach etwas zu laut.
    »Sie überlassen ihre Toten den Aasfressern?«, fragte Awin verwundert.

    »So ist es. Weiter im Inneren ihres Landes, in der Nähe ihrer Städte und großen Eisenminen, kannst du Dutzende dieser Türme finden. Hier bestatten sie die in der Wüste Gefallenen, und da nur wenige dieses Volkes selbst hier kämpfen, findest du dort nur zwei dieser Totentürme«, sagte Gerwi, und Awin konnte ihm anhören, dass er mit seinen Gedanken ganz woanders war.
    »Sind wir nicht gerade einen Umweg geritten, um diesen Ort zu meiden?«, fragte Awin langsam.
    Gerwi antwortete nicht auf die Frage, sondern erklärte: »Von dort aus führt ein langer Pfad hinüber bis zur Festung Pursu. Er ist schmal, gleicht beinahe einem Wildwechsel, aber ein aufmerksamer Reiter kann ihm folgen.«
    Awin fasste sein Schwert fester. Es hatte keinen Sinn mehr, das Unvermeidliche hinauszuzögern. »So hast du also beschlossen, uns nicht weiter als bis hierher zu führen, Yaman Gerwi?«
    Gerwi sah Awin an, und seine Mundwinkel zuckten. »Ich habe dich geführt, bis du deinen Weg selbst finden kannst, Yaman Awin. Und damit« - er hob seine Stimme deutlich an - »erkläre ich unseren Bund für beendet!«
    »Hakul!«, riefen seine Männer.
    Awin hörte, wie die Waffen gezogen wurden, und hatte selbst sein Schwert schon in der Hand. Pferde wieherten. »Hakul!«, riefen jetzt auch seine Krieger. Dann schnitt eine helle Stimme durch die rauen Rufe: »Uo jega!« , rief sie, »Kaiwin Milnar! Uo jega! Kaiwin Wercuna!«
    Ein durchdringender Schrei ertönte, dann warf ein gleißender Blitz einen Hakul aus dem Sattel, und ein Donnerschlag zerriss die Luft. Pferde sprangen zur Seite, und Reiter wurden abgeworfen. Auch Awins Brauner scheute. Ein Pfeil sirrte dicht an ihm vorbei, doch galt er nicht Awin, sondern Gerwi,
der mit seinem Schimmel kämpfte. Der Pfeil drang dem Yaman in den Hals. »Hakul!«, jubelte Tuge. Awin sah Gerwi aus dem Sattel sinken. Wild bockende Pferde schossen über die Ebene, viele ohne Reiter. Limdin und Dare waren von ihren Tieren gesprungen und sandten Pfeil auf Pfeil von der Sehne.
    »Uo jega! Kaiwin Milnar!« , rief die Kariwa noch einmal. Awin sah sie mit ausgestrecktem Arm auf ihrem Pferd sitzen. Das Tier stand ruhig wie ein Steinbildnis in der Ebene. Ein grau gewandeter Hakul stürzte stöhnend in den Staub, und dann zerriss ein erneuter Blitz die Luft. Viele Schritte entfernt wurde ein Krieger aus dem Sattel seines Pferdes geschleudert, das, wahnsinnig vor Angst, weiter hinaus in die Wüste galoppierte. Der Rest war kein Kampf mehr, nur noch eine Jagd. Awin beteiligte sich nicht daran. Er hielt immer noch sein Sichelschwert in der Hand und sah zu, wie die Krieger in alle Richtungen davonstoben, in nackter Furcht die Eisernen, jubelnd und siegessicher die Schwarzen Hakul, die sie verfolgten. Bald waren nur noch lange Staubfahnen zu sehen. Awin stieg von seinem Pferd und versuchte, es zu beruhigen. Gerwi lag auf der Erde. Er war noch nicht tot, aber es war zu erkennen, dass sein Leben zu Ende ging. Auch Menek sah er im weißen Sand liegen. Wela stand bei ihm und blickte mit bleichem Gesicht auf den kleinwüchsigen Schmied.
    »Es tut mir leid, Wela«, sagte Awin.
    Sie sah ihn an, und er bemerkte, wie traurig sie war. »Wir hätten Freunde werden können, aber er war dumm und hat sich auf einen Verrat eingelassen, also hat er es nicht besser verdient«, behauptete sie, aber ihre Stimme versagte ihr dabei den Dienst. Awin sah sich um. Keiner der Männer, die tot oder sterbend im Sand lagen, gehörte zu seinem Sger. Es ist wohl das, was man einen überwältigenden Sieg nennt , dachte er.

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