Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger
Ausgestoßene ist. Ich habe erfahren, dass Slahan aus einem bestimmten Grund in dieser Festung ist. Sie will dort eine alte Kraft finden, mit der sie Fahs’ Fluch brechen kann.«
»Die Alte Kraft?«, fragte Merege nach.
Awin nickte.
»Yeku will wissen, was das für ein Fluch ist«, sagte Mahuk.
»Es ist der, der sie daran hindert, offenes Wasser zu überqueren. Deshalb kann sie nicht nach Norden zum Skroltor. In der Festung will sie ihn brechen.«
»Und findet sie dort die Kraft, die sie dazu braucht, Raschtar?«, fragte Merege ernst.
Der Ussar kratzte sich am Hinterkopf. »Die Sonnentöchter sagen, der Ort ist heilig. Und Yeku sagt, dass dort viel verborgene Stärke unter den Steinen ruht. Vielleicht weiß Slahan das auch.«
Awin nickte und berichtete von den Dingen, die er bei den Winden erfahren hatte: »Nyet sagte, dass die Winde ihre Stärke übermorgen wiederbekommen werden, weil die Göttin sie dann nicht mehr braucht.«
»Übermorgen«, wiederholte Merege nachdenklich. »Was hat meine Ahnmutter dazu gesagt?«
»Sie sagt, dass sie uns nicht helfen kann, weil Tengwil es nicht erlauben würde. Aber sie hat mir eine Botschaft für dich mitgegeben.«
»Nämlich?«
»Die stärkste Quelle ist auch die gefährlichste, und du sollst dich in Acht nehmen«, wiederholte Awin.
Merege legte die Stirn in Falten. »Das hat sie gesagt?«
»Und dann sagte sie etwas davon, dass du jemanden um Hilfe bitten könntest. Etwas von einem treuen, aber ungeliebten Freund.«
Merege wurde blass.
»Weißt du, was es bedeutet?«, fragte Awin.
Die Kariwa sah ihn einen Augenblick gedankenverloren an. Sie fragte: »War da noch etwas?«
Awin entging nicht, dass sie der Frage ausgewichen war. Er wollte aber nicht weiter in sie dringen und fuhr stattdessen mit seinem Bericht fort: »Senis sagte, dass weder du noch ich Slahan töten können. Sie sagte etwas davon, dass du Hilfe brauchen würdest. Aber sie sagte auch, wir sollen sie ziehen lassen, wohin sie will.«
»Sie sagt, wir sollen aufgeben?«, fragte Merege ungläubig.
»Ich sagte ja, es ist verwirrend.«
»Das ergibt keinen Sinn. Was genau hat sie gesagt?«
Awin versuchte, sich die Worte ins Gedächtnis zu rufen. Er schloss die Augen und wiederholte: »Schickt sie dorthin, wo sie unbedingt hinwill.«
»Das ist etwas anderes«, sagte Mahuk gedehnt und kratzte sich am Hals.
Merege schüttelte ungehalten den Kopf. »Als Seher solltest du lernen, besser auf die Worte zu achten, Awin.«
»Aber was war der Unterschied?«
»Wir sollen sie nicht ziehen lassen, sondern senden. Wir können sie nicht töten, aber in die Verbannung schicken, und zwar über den Rand der Welt, den sie ja erreichen will! Das ist der Unterschied, Sehersohn.«
Mahuk grinste breit, und Awin spürte, dass er errötete. Er hatte nicht richtig zugehört. Wie unverzeihlich.
»Hat sie noch etwas gesagt, das uns helfen könnte, Sehersohn?«, fragte Merege, und es klang, als müsse sie ein kleines Kind ausfragen. Awin spürte Zorn aufwallen und schluckte ihn hinunter. Es war nicht die Zeit für falschen Stolz. Er dachte kurz nach, dann sagte er: »Nein, ich glaube nicht, doch … sie sagte noch etwas, was ich nicht verstand.« Er versuchte, sich dieses Mal gleich an den genauen Wortlaut zu erinnern. »Sie sagte, entscheidend wird der sein, der geben und nehmen kann.«
»Noch ein Rätsel«, stellt Mahuk fest.
»Das ist mir nicht entgangen«, sagte Merege, »und vielleicht können es der Raschtar und sein kluger Stock auch gleich lösen?« Sie schien gereizt und beunruhigt.
»Yeku sagt, dass er den Seher nicht versteht. Und Mahuk weiß es auch nicht.«
»Ich habe gehört, dass Seweti hier war«, sagte Awin, um abzulenken. Er spürte, dass sich ein Streit anbahnte, und das fehlte ihm gerade noch.
»So ist es«, erklärte Merege kühl. »Ich habe ihre Nähe gespürt. Doch fürchte ich sie nicht.«
»Hat sie zu dir gesprochen?«, wollte Awin wissen.
»Leere Versprechungen hatte dieses Weib mitgebracht,
mehr nicht. Was nützt mir unendliche Macht, wenn alles, was ich beherrschen könnte, erst in Trümmern liegt?«
Awin nickte. Er hatte auch nicht angenommen, dass Merege den Verführungskünsten der Tänzerin erliegen könnte. Bei Harmin war er sich nicht so sicher.
»Yeku sagt, die Winde haben dir noch mehr verraten.«
Awin blickte hinüber zu den Feuern. Er fühlte sich immer noch ziemlich zerschlagen, und auch das Rauschen in seinen Ohren war noch nicht verklungen. Dort drüben standen drei
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