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Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger

Titel: Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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allein.
    »Was denkt sich dieser …«, begann Wela, und ihr Gesicht war rot vor Zorn.
    Awin legte ihr die Hand begütigend auf den Arm. »Es ist
ein Angebot, weiter nichts. Du bist zu nichts verpflichtet.« Dann grinste er breit. »Wer weiß, vielleicht sind sie gar nicht so übel.«
    Welas Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Awin Sehersohn, über diese Dinge solltest du nicht scherzen. Doch jetzt hilf mir mit dem Feuer. Je eher ich aus dieser Falle herauskomme, desto besser.«
    Awin gehorchte, immer noch grinsend, aber das verging ihm schnell. Er musste den Blasebalg bedienen. Bald schwitzte und keuchte er, um das Feuer in Gang zu bringen. Er beobachtete Wela. Auch sie hatte sich verändert, äußerlich sicher mehr als er, denn sie war ein halbes Jahr älter geworden. Jetzt stand sie am Feuer, und Schweiß lief ihr über die sehnigen Arme. Sie waren nicht so muskulös wie die ihres Vaters, doch Awin erkannte die Kraft, die in ihnen steckte. Und jetzt, als Wela ihr Obergewand ablegte, sah Awin, wie breit ihre Schultern geworden waren. Nur ihr Gesicht hatte sich kaum verändert. Immer noch strahlte es Offenheit aus und erschien dabei ein wenig zu breit, um wirklich hübsch zu sein. Bald war Wela völlig in ihre Arbeit vertieft, und das Angebot von Harmin war vergessen. Sie raspelte den schon fast fertigen Dolch klein und murmelte dabei alte Beschwörungsformeln. Als nur noch Späne auf der Werkbank lagen, beförderte Wela sie mit einer einzigen geschickten Handbewegung in den Schmelztiegel. Sie sah auf. »Jetzt, junger Krieger, verlangt der Dolch nach deinem Blut. Erfülle sein Verlangen, und er wird dir treu dienen.«
    Awin brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, dann streckte er seine Hand aus. Er zuckte kurz zusammen, als Wela ihm mit schnellem Schnitt über die Handfläche fuhr. Blut tropfte in den Tiegel. »Blut zu Erz, Erz zu Blut«, murmelte Wela und streute ihrerseits ein graues Pulver dazu. »Kalmon, segne diese Verbindung«, flüsterte sie, dann zerstieß sie das
Gemisch mit dem Mörser. Sie ließ sich Zeit, murmelte weitere Beschwörungsformeln, jedoch so leise, dass Awin sie nicht verstand. Der auf- und abschwellende Klang ihres Flüsterns nahm ihn gefangen. Er schrak zusammen, als sie völlig unvermittelt den Tiegel in die Flamme stieß. »Vergiss den Blasebalg nicht, junger Krieger!«, mahnte sie. Awin gehorchte und pumpte Luft in die Esse. Das war Wela, eine vertraute Freundin, solange er denken konnte, aber sie war gleichzeitig auch ganz fremd. Sie ließ den Tiegel nicht aus den Augen, riss ihn plötzlich aus dem Feuer und goss die geschmolzene Masse in ihre Form. Es zischte. »Und jetzt, junger Krieger, geh dich reinigen. Oder willst du den Dolch mit dem Staub der Vergangenheit entehren? Und vergiss die Gebete nicht.«
    Diesen Teil hatte Awin völlig verdrängt: Ein Krieger, der den Blutdolch entgegennahm, musste Geist und Körper vorher reinigen, was bedeutete, dass er ein Bad nehmen musste. Im Zelt erwartete ihn eine junge Frau, eher noch ein Mädchen, mit rötlichem Haar. Er kannte sie nicht, aber etwas in ihrer Art erinnerte ihn an Harbod, Harmins Sohn. Sie reichte ihm ein großes Tuch, mit dem er sich später würde abtrocknen können, und nahm ihn wortlos an der Hand, wie es der Brauch befahl. Awin wäre es lieber gewesen, eines der Mädchen aus seinem Klan hätte ihn begleitet. Bei diesem Gedanken spürte er einen Stich. Außer Wela waren sie alle fort. Das Mädchen führte ihn hinunter zum See. Harmin war dort, und einige andere Männer. Sie hatten ein Feuer am Ufer entzündet und ein Loch ins Eis gehackt. Harmin grinste breit, als Awin sich entkleidete, und sagte: »Du hast in der Schmiede hart gearbeitet und das innere Feuer entzündet, wie ich hoffe. Denn nur seine Flammen können dich wärmen, wenn du jetzt in das Loch dort steigst.«
    Awin seufzte, dann breitete er die Hände aus und betete: zum Berggott Kalmon, dem Beschützer ihres Klans, zu Mareket,
dem Gott ihres Volkes, und zu Edhil, dem Schöpfer der Welt. Über ihm breitete sich ein sternklarer Nachthimmel aus, das Feuer flackerte, und von Harmins Zelt klang Welas Schmiedehammer herüber. In der Ferne heulten Wölfe. Er biss die Zähne zusammen, ging hinaus aufs Eis und stieg vorsichtig in das Loch. Der Schock traf ihn wie ein Schwerthieb. Ihm blieb die Luft weg, dabei ging ihm das Wasser nur bis zur Brust.
    »Du musst eintauchen, Awin«, mahnte Harmin freundlich.
    Als wenn er das nicht gewusst hätte. Awin holte

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