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Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger

Titel: Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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gekämpft. Ich werde mir auf der anderen Seite des Sees einen ruhigen Ort suchen und meine Ahnen bitten, diese Last wieder von mir zu nehmen.«
    »Es sind Wölfe da draußen«, sagte Awin stirnrunzelnd.
    Merege lachte leise. »Keine Angst, junger Hakul, ich werde ihnen nichts tun.«
    Dann drehte sie sich um und ging davon. Awin sah ihr nach. Irgendetwas sagte ihm, dass er sich wirklich keine Sorgen um sie machen musste.
     
    Wela erwartete ihn im Zelt. Sie zog ihn in eine Ecke, scheuchte die neugierigen Kinder hinaus und legte ihm fünf Klingen vor. »Diese hat mein Vater für dich und andere junge Krieger geschaffen. Jede von ihnen wurde schon dreimal geschmiedet, doch erst heute Nacht, wenn ich sie zum vierten Mal auf den Amboss lege, wird eine von ihnen vollendet.«
    Awin betrachtete die Klingen. Sie waren aus Bronze, sorgsam geschmiedet, sanft geschwungen und von tödlicher Schärfe. Er wusste, dass die Schmiede jeden Blutdolch viermal fertigten. Sie gossen die Bronze, schmiedeten und schärften den Dolch, dann raspelten sie ihn klein, fügten geheimnisvolle Pulver hinzu und schmolzen das Erz noch einmal ein, um es erneut zu gießen und zu schmieden. Fertiggestellt wurde der Dolch aber erst, wenn er seinen zukünftigen Besitzer gefunden hatte. Ehrfürchtig fuhr Awin mit den Fingern über die Klingen.
Die Bronze war seltsam rau und stumpf, nur an den Schneiden blitzte sie scharf.
    »Du solltest sie in die Hand nehmen, junger Seher«, krächzte die alte Telia, die in der Ecke saß.
    »Bitte, Mutter Telia, dies ist ein heiliger Augenblick«, bat Wela sie um Ruhe.
    »Ist er das? Dann entschuldigt mich, ich werde ein wenig nach draußen gehen. Männer und ihre Waffen, immer das Gleiche.«
    »Es ist kalt draußen, Mutter Telia«, sagte Awin.
    »So? Glaubst du, das ist mein erster Winter, junger Narr?«
    Als sie hinausgestapft war, nahm Awin eine Klinge nach der anderen auf, betrachtete sie und legte sie wieder ab. Er dachte an die vielen Erzählungen über die mächtigen Blutdolche, die die Kraft eines gefallenen Feindes auf ihren Besitzer übertragen konnten.
    »Noch einmal, Awin, Kawets Sohn. Und richte deinen Geist endlich auf die Klingen«, mahnte Wela.
    Awin wurde rot, nickte, schloss die Augen und betastete die Waffen, eine nach der anderen. Er wollte Wela nicht enttäuschen. Es war kaltes Erz, was sonst? Zur Not würde er sich blind irgendeine aussuchen. Sie waren doch alle gut gearbeitet.
    »Gib mir diesen Dolch, Awin«, sagte Wela bestimmt.
    Er reichte ihr die Waffe, die er gerade in der Hand hielt. Wela wog sie in der Hand. »Eine gute Wahl«, verkündete sie zufrieden.
    »Aber ich habe mich noch gar nicht entschieden«, widersprach Awin.
    »Doch, das hast du.«
     
    Harmin erwartete sie, und wie er es versprochen hatte, war die Esse schon vorbereitet.

    Awin hatte erst nicht glauben wollen, dass Harmin die Esse wirklich im Zelt hatte, aber es war so, jedenfalls beinahe. Er hatte eine Art Anbau geschaffen, einen Verschlag, windgeschützt, jedoch ohne Überdachung. »Der Winter kriecht mir doch sonst schon sehr in die Knochen«, erklärte Harmin, ohne sich Mühe zu geben, seinen Stolz auf die sinnreiche Einrichtung zu verbergen. Und mit genauso viel Stolz erklärte er ihnen seine Esse. Es war im Grunde genommen ein altes Holzfass, das er mit Lehm ausgekleidet hatte. So blieb es ihm erspart, bei jedem Lager eine neue Esse zu bauen. Es waren jedoch zwei Männer nötig, sie zu bewegen.
    »Ich danke dir, dass ich hier schmieden kann, Harmin, doch erlaube mir die Frage, was du dafür erwartest«, fragte Wela, als sie sich mit den Gegebenheiten vertraut gemacht hatte.
    Harmins breite Stirn verfinsterte sich. »Dies ist ein Gefallen von Schmied zu Schmied. Ich erwarte nicht, dass du dich zu irgendetwas verpflichtest, Wela, Tuwins Tochter.« Dann stockte er kurz und fügte hinzu: »Doch wenn du schon danach fragst, bitte ich dich, später in mein Zelt zu kommen. Ich will dir zwei meiner Enkelsöhne vorstellen.«
    Welas Mund öffnete sich, doch es kam kein Ton heraus. »Dein Angebot ist ehrenvoll, Harmin«, sagte Awin schnell, um die peinliche Stille zu überbrücken, »doch ist Wela unsere Schmiedin. Wir können sie keinem Mann geben, der nicht bereit ist, sich unserem Klan anzuschließen.«
    »Euer Klan …«, sagte Harmin gedehnt. »Nun, die Augen vieler Mädchen ruhen mit Wohlgefallen auf Limdin und Dare, meinen Enkeln. Sie mag sie sich ansehen, alles Weitere findet sich.« Und mit diesen Worten ließ er sie

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