Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger
wieder hinab, lauschte dem Alten, nickte und rief dann: »Und ich sah ein Licht in der finstersten Nacht, ein Licht, das ein junger Krieger trägt, der doch kein Krieger ist. Er bringt die große Veränderung.«
Ein Raunen lief durch die Reihen, und Awin wurde heiß und kalt. Der Alte hatte eine unheimliche Ausstrahlung. Hatte er wirklich ihn und den Lichtstein gesehen? Ein drittes Mal beugte sich der Jungkrieger hinab und verkündete dann: »Ich hörte auch einen vertrauten Namen. Junger Curru, bist du wirklich hier? Es ist lange her.«
Es klang seltsam, diese Worte aus dem Munde des jungen Kriegers zu hören. Curru trat nach vorn. Awin konnte ihm
ansehen, wie sehr ihn die Anwesenheit seines Lehrers verunsicherte. »Ich bin hier, Meister Kluwe«, rief er.
Wieder lauschte der Jungkrieger dem Alten, bevor er laut rief: »Komm näher.«
Zögernd näherte sich Curru dem Alten. Dieser sah auf, murmelte leise etwas, was wohl nicht einmal sein Sprecher verstand, dann winkte er Curru näher heran. Awins ehemaliger Meister gehorchte. Der Alte flüsterte ihm etwas zu. Curru schüttelte den Kopf. Der Alte flüsterte weiter, es wirkte drängender. Curru trat einen Schritt zurück und sagte: »Wir müssen das besprechen, Meister.«
Der Alte winkte unwillig ab, es sah aus, als wolle er Curru wie eine lästige Fliege verscheuchen. Dann krallte er sich mit dürren Fingern in den Arm seines jungen Sprechers und zog ihn zu sich herab.
»Ich habe alles gesagt. Handelt jetzt, Hakul«, rief der Jungkrieger. Danach sprach der Alte nicht mehr. Sein junger Helfer legte ihm einen zweiten Mantel über die Schultern, und ein anderer brachte ihm eine Schale mit dampfender Suppe. Er konnte kaum den Löffel halten. Eine Weile sah die Menge zu, wie der Alte langsam aß, dann löste sich die Versammlung nach und nach auf.
»Was hat er von dir gewollt?«, fragte Uredh, als sie sich wieder an ihrem Feuer sammelten.
»Er will, dass wir ihn ins Ahnental begleiten. Nein, ganz genau sagte er, er habe uns dort gesehen«, erwiderte Curru nachdenklich.
»Er hat uns da gesehen?«, fragte Blohetan ehrfürchtig.
Curru nickte knapp.
»Dann ist es unausweichlich«, meinte Blennek.
»Er ist alt, vielleicht verwirrt«, widersprach Eri. »Wer
weiß schon, was er wirklich gesehen hat. Ja, ich nehme an, er möchte nur mit einem möglichst eindrucksvollen Gefolge dort erscheinen. Und Curru, der Seher der Schwarzen Berge, ist ein berühmter Name.«
»Berühmt? Berüchtigt, trifft es wohl eher«, meinte Harmin trocken.
Curru ging auf diese Beleidigung nicht ein. Er schien geistesabwesend. Dann sagte er: »Wenn ihr erlaubt, werde ich mich kurz mit meinem Yaman besprechen.«
»Macht ihr euch Sorgen wegen der Sühne?«, fragte Uredh. »Der Heredhan hat die Stammesversammlung einberufen. Und du weißt doch, dass dann alle Fehden und Forderungen ruhen, oder?«
Curru schien gar nicht zuzuhören. Er fasste Eri am Arm und zog ihn zur Seite.
»Ich möchte wissen, was er jetzt wieder ausbrütet«, brummte Harmin.
Awin hätte das auch gern gewusst, aber er konnte den beiden nicht folgen, denn die Männer berieten weiter, und er musste verhindern, dass sie einen Entschluss fassten, der den Heolin gefährdete. Wie sich zeigte, war seine Sorge berechtigt. Blohetan, Blennek und Uredh wollten der Aufforderung Kluwes folgen und ins Ahnental reiten. »Kluwe wird dort sein, der kluge Isgi ebenfalls, auch viele andere erfahrene und weise Yamane, Schmiede und Seher. Wir werden dort Rat und Hilfe bekommen«, war sich Blohetan sicher.
»Vielleicht mehr, als uns lieb ist«, antwortete Harmin, »und jeder Ratschlag wird anders lauten. Ihr kennt das doch.« Und er verkündete, dass er und seine Männer weiter dem Lichtstein folgen würden.
»Und wohin will der Träger des Lichtsteins gehen?«, fragte der weißhaarige Blennek.
Awin zögerte mit einer Antwort. Aus den Augenwinkeln beobachtete er Curru und Eri, die sich leise, aber heftig stritten. Curru schien den Yaman von irgendetwas überzeugen zu wollen. Beide blickten dabei immer wieder in eine bestimmte Richtung. Awin folgte ihren Blicken und fand dort Merege, die dabei war, ihr Pferd zu satteln, und dem Geschehen im Lager wie üblich wenig Beachtung schenkte. Merege? Das war mehr als seltsam. Bislang hatten Eri und Curru die Kariwa mit Feindseligkeit betrachtet. Sie fürchteten ihre Macht. Sie wussten, dass sie sie brauchten, aber sie taten bisher doch alles, um sie aus ihren Plänen herauszuhalten. Sollte sich
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