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Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger

Titel: Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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den zähen Nebel zu vertreiben, doch der hielt sich hartnäckig und lag wie ein Schleier über der Versammlung. Es war schwer, die Mienen der Männer zu lesen. Isgi rief die Götter an und bat
um ihren Segen für den Dhanegedh, dann wandte er sich an die Versammlung. Doch noch einmal wurde er unterbrochen, denn erst jetzt betrat Yaman Skian mit seinen Leuten den Kreis. Er ging dicht an Horket vorüber, würdigte ihn jedoch keines Blickes, dafür nickte er Curru, der kurz vor ihm gekommen war, knapp zu. Isgi wartete, bis die Krieger von den Dolchen sich einen Platz gesucht hatten, dann begann er: »Edle Brüder, viel haben wir gehört über das Leid in dieser dunklen Zeit, doch gestern kam ein Reiter in dieses Lager, und er brachte endlich gute Kunde. Xlifara Slahan, die Gefallene Göttin, hat mit ihren verfluchten Winden unsere Weiden verlassen. Sie ist weitergezogen nach Osten, und wir können Hoffnung schöpfen für die Zukunft.«
    »Hoffnung? Und die, die verschleppt wurden?«, rief eine wütende Stimme.
    Der Aufruhr, den Awin erwartete, blieb aus. Isgi setzte ein trauriges Lächeln auf und sagte: »Sieh, Bruder, ich teile deinen Schmerz, denn auch ich habe Freunde an die Verhasste verloren, doch was können wir tun? Wir sind Hakul. Niemand sollte wagen, unsere Tapferkeit in Frage zu stellen, und jedermann weiß, dass es unter den Völkern keine besseren Reiter gibt, doch ich frage dich, sind unsere Pferde schneller als der Wind? Slahan ist uns viele Tage voraus - wir können sie nicht einholen.«
    Awin erhob sich und trat in den Kreis. »Ich verlange Gehör!«
    Isgi lachte höhnisch auf, doch wieder blieb der zu erwartende Tumult aus. Horkets rechte Hand wirkte für einen Augenblick verunsichert. »Du, Awin von den Schwarzen Bergen? Hast du gestern nicht gelernt, wo dein Platz ist? Und dass du schweigen solltest, wenn Männer reden?« Isgi sah sich Beifall heischend um, doch es blieb still. Er setzte rasch hinzu: »Du hast deine
Stimme an deinen Meister Curru abgegeben, woher nimmst du also das Recht, hier zu sprechen?«
    »Ich bin kein Krieger aus Currus Klan, Isgi vom Schwarzen Gras«, rief Awin laut.
    Isgi breitete die Arme aus: »Ich hörte da ein Gerücht«, rief er lachend. »So willst du dich wirklich auf Harmins dummen Vorschlag einlassen und seine Enkeltochter heiraten? Und das nur, um hier den Mund aufzureißen? Dann komm wieder, wenn die Heirat vollzogen ist!«
    Einige Hakul lachten, aber es waren nicht sehr viele.
    »Er spricht nicht für meine Sippe«, rief Harmin laut.
    Isgi wurde noch unruhiger, seine Augen schossen umher, als suchten sie die Gefahr, die er witterte, aber nicht finden konnte. Awin sammelte seinen ganzen Mut und rief dann laut: »Ich bin Awin, Kawets Sohn, ein Spross des Klans der Schwarzen Dornen, und ich habe das Recht, hier zu sprechen!«
    Totenstille legte sich über die Versammlung. Jeder Yaman wusste, wer Kawet war, und auch die meisten Krieger hatten vom Untergang des Dornen-Klans gehört. Hatte der Heredhan nicht sogar geschworen, diese Sippe bis zum letzten Mann auszurotten? Alle Augen wandten sich Horket zu. Sein Gesicht schien zu einer Maske versteinert. Isgi drehte sich zu ihm um, und es sah aus, als würde er unter dem wütenden Blick des Heredhans schrumpfen.
    »Dann sprich zu uns, Awin von den Dornen«, rief jemand laut. Es war der Yaman vom Klan des Löwen, mit dem er am Morgen gesprochen hatte.
    »Dieser Klan ist erloschen, er hat keinerlei Rechte hier!«, rief Isgi, und seine Stimme überschlug sich dabei.
    »Lass ihn, Isgi«, übertönte Horket die vielen Rufe der Empörung mit lauter Stimme. »Er soll ruhig sprechen. Ich will hören, was dieser junge Mann zu sagen hat. Vielleicht kann er
uns dann auch erklären, warum er den Klan, der ihn jahrelang vor mir versteckte, jetzt in Zeiten der Not verlassen hat wie ein Dieb in der Nacht.« Ganz offensichtlich hatte der Heredhan sich schnell wieder gefasst, nachdem er seine Überraschung für einen kurzen Augenblick nicht hatte verbergen können.
    »Ich danke dem Heredhan«, begann Awin, und es klang spöttisch, auch wenn ihm wirklich nicht nach Spott zumute war. Ein paar Hakul lachten verhalten, und Awin fasste Mut. Curru hatte ihm diesen Weg aufgezeigt, hatte ihm gesagt, dass er für den Klan seiner Geburt sprechen dürfe, ja sprechen müsse, denn das würde Horket aus der Fassung bringen. Awin hatte ihm erst nicht geglaubt, aber dann hatte Curru behauptet, dass der Heredhan die Männer der Dornen deshalb so gnadenlos

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