Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger
unternehmen, die Toten zu begraben und den Göttern zu danken, dass Slahan fort war, viel leichter, als einer Göttin hinterherzujagen und gegen sie zu kämpfen. Die Hakul waren tapfer, aber er hatte sie aufgefordert, sich gegen eine Unsterbliche zu stellen. Er hatte zu viel verlangt. Plötzlich stand Curru im Kreis, und Eri trat zu ihm, den Heolinstab in der hoch erhobenen Faust. Der Lärm verebbte.
»Warum wedelt der Knabe mit dem falschen Stein? Was will er hier? Mit dem Narren Curru noch ein paar weitere Lügen verbreiten?«, fragte Isgi höhnisch.
»Frag deine verbrannte Hand, Isgi, ob dieser Stein falsch ist«, rief Curru laut. »Aber nicht ich sollte gehört werden, sondern Kluwe!« Alle Blicke wandten sich dem uralten Seher zu, der, gehüllt in dünne Nebelschleier, zusammengesunken in seinem Sessel ruhte. Es war schwer zu erkennen, ob er nicht wieder eingeschlafen war. Curru fuhr fort: »Wir trafen den ehrwürdigen Kluwe erst vor wenigen Tagen am Dhurys, und er wusste sogleich, dass der Heolin mit uns war. Wie lauteten seine Worte, junger Krieger? Was hat dein Meister gesehen, als wir in euer Lager kamen?«, wandte er sich an Kluwes Stimme.
Der junge Mann zögerte nur einen kurzen Augenblick, dann wiederholte er, Wort für Wort: » Ich sah ein Licht in der finstersten Nacht, ein Licht, das ein junger Krieger trägt, der doch kein Krieger ist. Er bringt die große Veränderung. «
Atemlose Stille legte sich über die Versammlung. Curru nickte. »Ihr habt es gehört: Ein Krieger, der doch kein Krieger ist. Und hier steht er, Eri, ein Krieger ohne Zweifel, aber eben doch kein Krieger, denn er ist der Yaman unseres Klans. Er bringt die Veränderung!«
Awin musste sich zusammenreißen, um seine Fassungslosigkeit zu verbergen. Es war doch offensichtlich, dass Kluwe ihn, den Seher, gemeint hatte, und nicht Eri, den Yaman. Curru wusste das, aber wie Isgi war auch er ein Meister darin, die Wahrheit zu verdrehen.
»Und wie soll diese Veränderung aussehen, Curru von den Bergen?«, schrie Isgi über die neuerliche Unruhe hinweg. »Will er noch ein paar Schilde zerbrechen?«
Curru zuckte nicht einmal mit der Wimper: »Der Schild zerbrach, weil die Götter uns zeigen wollten, dass Eri auf einem
anderen Schild stehen sollte. Das habe ich endlich verstanden. Er trägt den Lichtstein, den Stein, mit dem Etys die Hakul vereinte und allen Streit beendete. Er ist der Erbe unseres ersten Fürsten und hat Anspruch auf den Schild, hinter dem sich Horket versteckt.«
»Willst du etwa den Heredhan fordern? Hast du das Fehdeverbot vergessen, Hakul?«, schrie Isgi. Seine Stimme überschlug sich und klang schrill zwischen den Felssäulen, denn die Versammlung war vollständig verstummt.
»Wie könnte ich? Schützt es doch diesen Feigling dort, der es nicht wagt, seine verschleppten Brüder zu befreien vor dem Zorn vieler Männer!«, brüllte Curru.
»Ich kenne keine Angst, schon gar nicht vor so einem Knaben. Mit meiner Linken könnte ich ihm das Genick brechen!«, brüllte Horket laut. Dann fuhr er wütend fort: »Ihr kennt mich! Wie viele Schlachten habe ich geschlagen, wie viele Zweikämpfe bestritten? Seht ihr nicht die Narben, die ich davongetragen habe, als ich zum Ruhme unseres Stammes stritt? Ich bin Heredhan Horket, und niemand sollte an meinem Mut zweifeln.«
»Eri tut es, Horket; ich tue es, und viele andere hier tun es auch«, entgegnete Curru höhnisch.
»Dann werde ich sie eines Besseren belehren! Ich sehe dich zur Mittagsstunde hier, Knabe. Bring das Schwert mit, mit dem du zu spielen pflegst.«
»Wie?«, fragte Curru mit schlecht gespielter Überraschung, »das Fehdeverbot soll nicht mehr gelten, Horket?«
»Ich hebe es auf, bis dieser Knabe hier tot auf der Erde liegt!«
»Ich werde dich töten, Horket, und bei den Göttern, dein Schild wird mir gehören!«, entgegnete Eri stolz.
Im Aufruhr, der der Ankündigung des Zweikampfs folgte,
blickte Awin betroffen von einem zum anderen. Alles war so gekommen, wie Curru es vorausgesagt hatte: Horket hatte sich dazu hinreißen lassen, sein eigenes Gebot zu brechen und Eri zu fordern. Das war wichtig, wenn Eri Heredhan werden wollte, denn niemand würde nun behaupten können, er habe gegen das Gesetz verstoßen. Aber bestand überhaupt Aussicht, dass Eri gewinnen konnte? Dort stand er, schlank, tapfer, schnell, doch noch ein Halbwüchsiger, hitzköpfig, mit wenig Erfahrung. Und ihm gegenüber stand Horket, ein selbstbewusster Kämpfer, der unzählige Feinde
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