Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger
Er jedoch nicht. Hätte er geschwiegen, wäre Eri vergiftet worden und jetzt tot. Er war ein Seher, verpflichtet, Unheil von den Seinen abzuwenden. Er schüttelte den Kopf. »Alle reden von Eri, ehrwürdiger Kluwe, aber was ist mit Xlifara Slahan?«, fragte er. »Hast du Zeichen gesehen?
Wird der neue Heredhan mich auf der Jagd begleiten? Wird überhaupt irgendein Hakul mich auf dieser Jagd begleiten?«
»Ich sah dich, junger Seher. Du bist aus dem Nebel getreten«, lautete die Antwort.
»Aber was ist mit der Gefallenen Göttin?«
»Es gibt nicht viele Hakul, die diese Frage noch beschäftigt, Kawets Sohn«, antwortete der junge Krieger für Kluwe.
Awin dachte über diesen Satz nach, dann sagte er: »Ich werde sie daran erinnern. Es gibt nichts Wichtigeres, als unsere Brüder und Schwestern zu retten.«
»Er ist eingeschlafen«, erklärte Kluwes Stimme. Awin starrte den schlafenden Seher an. Kluwe würde Merege also nicht verraten, das war gut. Aber warum tat er nicht mehr? Warum forderte er die Hakul nicht dazu auf, aufzubrechen und Slahan zu verfolgen? Plötzlich sagte der junge Krieger: »Die Hakul werden nicht auf dich hören, gleich, was du sagst.« Und als er Awins verwunderten Blick sah, fügte er hinzu: »Man muss nicht der weise Kluwe sein, um das vorherzusehen.«
Awin trat mit grimmiger Entschlossenheit aus Kluwes Zelt. Er würde sich nicht so leicht entmutigen lassen. Er wusste, was zu tun war. Er blieb stehen. Der Nebel hatte sich nun ganz verflüchtigt, und eine blasse Wintersonne schien auf ein Lager voller Betriebsamkeit. Die Hakul hasteten durcheinander. Irgendetwas war im Gange. Awin sah einige Männer, die eine der alten Ulmen fällten, um Holz für ihre Feuer zu bekommen. Es war schon so, wie der alte Yaman am Kreis gesagt hatte: Die überlieferten Gesetze wurden nicht mehr geachtet. Dann bemerkte er, dass Wereks Männer ihre Kriegszelte abbauten und die Pferde sattelten. »Was hat das zu bedeuten, Yaman Werek? Ihr verlasst das Lager?«, rief er hinüber.
»Wir sind nicht die Einzigen, Awin. Diese Narren mögen
Eri auf den Schild heben - wir erkennen seinen Anspruch nicht an, und wir werden ihm bestimmt nicht Gefolgschaft schwören.«
Awin sah jetzt, dass überall im Lager Zelte abgebaut wurden. »Es fehlt ihnen die Einsicht, junger Seher«, sagte Blohetan, der plötzlich neben ihm stand. »Sie sind stur, dumm und wollen die göttlichen Zeichen nicht erkennen, auch wenn der Heolin sie doch mit der Nase darauf gestoßen hat.«
»Aber du bleibst, Blohetan von der Schwarzen Ranke?«
»Um nichts in der Welt will ich diesen großen Augenblick versäumen. Ich werde Heredhan Eri im Namen meines Klans anerkennen, und wenn wir wieder am Sichelsee sind, werde ich dem Rat der Männer vorschlagen, dass wir uns dem Klan der Berge anschließen.«
»Du willst deine Sippe mit unserer zusammenschließen?«, fragte Awin verwundert.
Blohetan sah ihn befremdet an. »Unserer? Hast du den ruhmreichen Klan der Berge nicht im Stich gelassen, Awin von den Schwarzen Dornen?«
Awin war so verblüfft über den vorwurfsvollen Ton des Ältesten, dass er keine Worte fand. War es das, was die Hakul sich nun erzählten, dass er den künftigen Heredhan im Stich gelassen hatte? Eri und Curru mussten das richtigstellen, mussten erklären, dass er es auf ihr Anraten hin getan hatte. Awin atmete tief durch. Er musste ohnehin mit den beiden reden. Sie hatten den Heolin benutzt und bekommen, was sie wollten, jetzt war es Zeit, dass sie ihn zurückgaben. Eine leise Stimme im Hinterkopf warnte ihn. Es wird nicht so leicht, wie du denkst , sagte sie, aber Awin versuchte tapfer, sie zu überhören. Er marschierte fest entschlossen durch den Morast und staunte, wie viele Hakul ihre Zelte nun schon abbauten. Awin schätzte, dass etwa ein Viertel der Klans sich anschickte, das Ahnental
zu verlassen. Er lief weiter. Ein Viertel? Das hieß doch umgekehrt, dass drei Viertel der Schwarzen Hakul bereit waren, Eri als Heredhan anzuerkennen und ihm vielleicht sogar Gefolgschaft im Kampf zu geloben. Awin wusste, dass Horket trotz aller Schlachten und Kämpfe nicht einmal die Hälfte der Klans so weit hatte bringen können. Hoffentlich , so dachte er grimmig, weiß Eri noch, wem er das alles zu verdanken hat.
An Horkets Zelt wurde er aufgehalten. Drei fremde Krieger standen dort und versperrten ihm den Weg. Einer von ihnen fragte herablassend: »Wo willst du hin, Hakul?«
Awin starrte den Mann an. Dann erkannte er ihn wieder, es war
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