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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Vielleicht erlaubt er uns, deinem Rat zu folgen. Doch nun entschuldigt mich, ich habe viel zu tun.«
    Sie verabschiedeten sich mit knappen Worten. Der Bote hatte ein Pferd bestiegen und erwartete sie. Sie folgten ihm entlang des Seeufers weiter nach Norden.

    »Verzeih, Merege«, begann Tuge, »aber ist es üblich, dass eure Anführer das Denken einstellen, wenn sie vor einem Kampf stehen?«
    »Lemgin ist sehr zuverlässig, ich nehme an, deshalb hat Ragin ihn dort hingestellt«, wich Merege aus.
    »Dennoch wäre es Wahnsinn, sich mit dieser Schar von Bauern auf einen offenen Kampf mit den Reitern der Hakul einzulassen«, widersprach Tuge hartnäckig.
    Merege seufzte. Dann sagte sie: »Dann lass uns versuchen, Ragin umzustimmen.«
    Sie klang jedoch nicht sehr hoffnungsvoll. Sie ritten an einigen verlassenen Fischerhütten vorüber, wo sie einer Gruppe von etwa fünfzig axtbewehrten Männern begegneten, die zu Lemgins Schar unterwegs waren. Ihr Anführer berichtete Merege, dass bald weitere Verstärkung aus dem Westen des Schneelandes erwartet wurde.
    Das Land wurde jetzt welliger, und als sie wieder einen der grünen Hügel überquerten, sahen sie vor sich endlich die Stadt liegen.
    »Das ist Narwa«, erklärte Merege.
    »Sehr groß ist diese Stadt aber nicht«, meinte Wela und klang enttäuscht.
    Groß war Narwa wirklich nicht. Häuser aus dunkelgrauem Stein, gedeckt mit Lagen von Schilf, standen dort unten dicht an dicht. Es gab einen die Stadt weit überragenden Turm, der aus einem großen, kantigen Gebäude herauswuchs.
    »Das Turmhaus, das ihr dort seht, ist der Sitz unseres Ordens«, erklärte Merege. »Narwa ist nicht die größte, aber die wichtigste Stadt des Schneelandes, Wela, und ich hoffe, dass wenigstens das Turmhaus dir gefällt.«
    Awin stutzte, er hatte etwas gesehen - ein fernes Leuchten, das von weit jenseits der Stadt zu kommen schien. Er reckte
sich. Im Norden erhob sich die dunkle Kette der hohen Berge. Auf einigen Gipfeln lag Schnee.
    »Was ist das für ein Licht, das ich dort sehe?«, fragte Awin.
    Merege lächelte. »Es ist Edhils Siegel, das dich vom Skroltor grüßt, Seher.«
    »Dort liegt es, das verfluchte Tor?«, entfuhr es Tuge.
    »Nicht das Tor ist verflucht, Meister Tuge«, erwiderte Merege, »sondern die, die dahinter wohnen. Aber jetzt kommt. Der Tag ist noch lang, und - wie Lemgin schon sagte - wir haben viel zu tun!«
    Sie folgten dem Boten, der schon weitergeritten war, hinunter in die Stadt. Die engen Straßen waren voller Menschen. Awin sah Männer, Frauen und Kinder, die sich sammelten und von schwarz gekleideten Wächtern Anweisungen erhielten. Nach dem, was Awin aufschnappte, wurden die Frauen, Alten und Kinder nach Westen gesandt, um sich in Sicherheit zu bringen. Vor dem Turmhaus trafen sie auf eine Gruppe Krieger, die sich anschickte, die Stadt zu verlassen, um die Truppen im Süden zu verstärken.
    »Ist es nicht bemerkenswert, wie ruhig sie sind?«, flüsterte Wela.
    Awin stimmte ihr zu. »Man könnte glauben, sie zögen nicht in den Krieg, sondern in aller Ruhe zu einer Versammlung oder etwas Ähnlichem.«
    Der Bote war schon durch das Tor des Turmhauses verschwunden. Awin bemerkte mit einem Stirnrunzeln, dass das Gebäude nicht bewacht war, und sie, die Fremden, völlig unbehelligt eintreten konnten.
    Das Gebäude war beeindruckend. Zunächst ging es durch das breite Tor in einen großen Vorhof. Zur Rechten ragte der Turm in beträchtliche Höhe. Er war, wie die ganze Stadt, aus dunkelgrauen Steinen gemauert, und er sah alt aus. Das Haus
selbst war weitläufig und bestand aus einem Haupt- und mehreren Nebengebäuden. Männer zogen Pferde aus einem lang gestreckten Stall und sprangen mit vermutlich wichtigem Auftrag in den Sattel, denn sie verschwanden dann schnell durch das Tor. Das Hauptgebäude war ein wuchtiger, kantiger Block mit drei Stockwerken. Es hatte viele, sehr schmale Fenster, und obwohl Awin die viel größere Festung von Pursu kannte, schüchterte ihn dieses Haus beinahe ein. Immer noch war keine Wache zu sehen. Sie folgten der Kariwa eine breite, schwarze Treppe hinauf ins erste Geschoss und dann durch eine Doppeltür in eine große Halle. Jetzt staunte sogar Wela, die Halle nahm nämlich den größten Teil der beiden oberen Stockwerke ein und war von einer flachen Kuppel gekrönt. Die Kuppel wiederum war vielfach durchbrochen, und silberne Spiegel lenkten das Licht um und zeichneten ein zwölfstrahliges, blasses Muster auf den dunklen Steinboden. Es

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