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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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zitterte, als sie eintraten, und in den Mauern knirschte es leise. Der Kramar fand keine Ruhe. Unter den Fensterreihen auf beiden Seiten des Saales waren schlichte Stühle aufgestellt, aber sie waren leer.
    Gegenüber der Pforte stand ein breiter Tisch, über den sich ein hochgewachsener Mann beugte. Auf seiner Stirn prangte eine schwarz tätowierte Sonne. Ein großes Stück Rinderhaut war über den Tisch gebreitet, dicht verziert mit Zeichen, die Awin nicht kannte. Der Mann blickte nicht auf, als sie eintraten, selbst dem Boten, der leise mit ihm sprach, schien er kaum Beachtung zu schenken.
    »Ich grüße dich, Airiskan Ragin«, rief Merege, und es klang unangemessen laut. Sie war in der Mitte der Halle, gerade unter der Kuppel, stehen geblieben, und die Gefährten folgten ihrem Beispiel.
    Immer noch widmete sich der Airiskan der bemalten Rinderhaut, dann schnaubte er und sagte dem Boten mit einer
etwas zu schrillen Stimme: »Lemgin hat seine Befehle, er sollte sie nicht hinterfragen. Geh und sag ihm das von mir. Er soll den Feind stellen. Die Männer von Marsa werden über die Hügel kommen und den Hakul in den Rücken fallen.« Der Airiskan deutete dabei auf bestimmte Punkte auf der Rinderhaut, und Awin begriff, dass es eine Art Karte war.
    Er tauschte einen Blick mit Merege. Der Airiskan rechnete mit Männern aus Marsa? Nach dem, was sie dort gesehen hatten, dürften nur sehr wenige dem Gemetzel entkommen sein.
    Der Bote nickte ergeben und lief eilig aus der Halle. Erst jetzt löste Ragin seinen Blick vom Tisch und musterte die Gefährten. »Ich grüße dich, Anwärterin Merege, du warst nicht so lange fort, wie ich erwartet hatte«, sagte er schließlich.
    »Wie es scheint, hätte ich nicht viel länger fortbleiben dürfen, ehrwürdiger Airiskan«, erwiderte Merege, die sich bei dieser unterkühlten Begrüßung verfärbt hatte.
    »Und du bringst Fremde in meine Halle?«, fragte Ragin.
    »Sie sind weit geritten, um uns in diesem Kampf beizustehen«, antwortete Merege.
    »Ich bin Yaman Awin von den Schwarzen Dornen, und ich bin hier, um zu verhindern …«
    Der Airiskan unterbrach Awins Versuch, sich vorzustellen: »Ich weiß, wer du bist, Hakul. Ahnmutter Senis ist einigen anderen Wächtern im Traum erschienen. Man sagte mir, sie habe erklärt, dass du wichtig sein könntest, aber ehrlich gesagt wüsste ich keinen Grund dafür. Wenn du helfen willst, deine Stammesbrüder aufzuhalten, ist das aller Ehren wert, aber vermutlich kaum nötig.«
    Das war mehr als herablassend. Awin spürte schon längst eine tiefe innere Abneigung gegen diesen Anführer der Kariwa. »Ich wäre erfreut, wenn meine Hilfe nicht gebraucht werden sollte, Ragin«, erwiderte er knapp.

    Der Airiskan nickte leichthin und schien kaum zugehört zu haben.
    »Verzeih, Ehrwürdiger«, begann Merege erneut, »aber ich traf Lemgin und seine Männer. Er erzählte mir, dass er die Hakul am See stellen will, aber sie sind zahlenmäßig weit unterlegen.«
    »Weitere Männer sind zur Verstärkung unterwegs«, beschied sie Ragin knapp.
    Tuge, dessen steigenden Zorn Awin schon bemerkt hatte, konnte nun nicht länger an sich halten: »Weitere Männer? Wie viele, oh, ehrwürdiger Anführer der Kariwa? Ich habe deine Truppen gezählt. Sie sind unseren Kriegern schon an Zahl um mehr als das Zehn- oder Zwanzigfache unterlegen, und wenn sie dem Tiudhan im offenen Feld entgegentreten, wird wohl kaum einer deiner Männer die Schlacht überleben!«
    »Unsere Krieger, sagst du? Mir scheint, ihr seid euch nicht sicher, auf welcher Seite ihr steht, Hakul«, entgegnete Ragin kalt.
    Aber der Bogner war noch nicht fertig: »Du rechnest mit den Männern aus Marsa? Weißt du nicht, dass Eri sie besiegt und fast alle getötet hat?«
    Der Airiskan sah Tuge scharf an. »Warst du etwa dort, Hakul?«
    »Ich sah es von einem Berg aus. Es war ein Blutbad«, entgegnete Tuge.
    »Nun, aus der Ferne sieht manches schlimmer aus, als es ist. Sie können nicht alle gefallen sein, und sie kennen ihre Befehle. Ich habe vorausgesehen, dass wir die erste Schlacht vielleicht verlieren könnten, und für diesen Fall angeordnet, dass sich die Überlebenden im Schatten des Jarno-Hügels sammeln. Von dort aus werden sie dem Feind in den Rücken fallen und die Scharte wieder auswetzen, die sie sich eingefangen haben.«

    Awin hob die Hand, um einen weiteren Ausbruch Tuges zu unterbinden, und sagte mit aller Höflichkeit, die er noch aufbringen konnte: »Es wäre erfreulich, wenn viele Kariwa die

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