Der Sohn des Tuchhändlers
fest. Die Geschichte, die ich im Kopf hatte, wollte sich nur nicht ganz zusammenfügen. Mit dem Bemühen des Landshuter Herzogs, an die sechseinhalb Millionen euro zu gelangen, hatte ich jedoch plötzlich genau das Bindeglied, das meine erfundene Geschichte und die historischen Fakten miteinander verband. Was würde man nicht alles für sechseinhalb Millionen euro tun, ganz besonders, wenn mit ihrer Erlangung das persönliche Wohl und Wehe ganz untrennbar verbunden ist?
So entstand also der letzte Peter-Bernward-Roman auf gewisse Art und Weise direkt aus dem ersten. Welchen schöneren Kreisschluss könnte es geben?
Und welchen schöneren Ort hätte ich für diesen Schluss finden können als die Stadt Krakau? Waren Sie schon mal dort? Wenn nicht – holen Sie’s nach! Und lassen Sie mich kurz dieGelegenheit nutzen, Ihnen einen kleinen Teil der dramatischen Geschichte dieser Stadt vorzustellen; den Teil, der den Hintergrund für das Buch bildet, das Sie gerade fertig gelesen haben (oder bald anfangen werden, weshalb ich mich auch kurz fassen und Ihnen nicht länger als nötig auf die Nerven fallen will).
Also …
Im Jahr 1407 bezichtigte der Krakauer Magister Budek die jüdische Bevölkerung der Stadt eines Ritualmordes. Die aufgestachelte Menge zog in das Judenviertel, raubte die Häuser der Juden aus und steckte sie in Brand. Als die Menschen vor dem Mob in die Kirche der Heiligen Anna flohen und sich im Turm verschanzten, zögerte die christliche Volksmenge nicht, diesen in Brand zu stecken und die Männer, Frauen und Kinder im Feuer umkommen zu lassen (dass die Flammen nicht auf die Stadt übergriffen, muss als Wunder betrachtet werden). Die Kinder, die dem Feuer entkommen konnten und nicht von den Angreifern erschlagen wurden, wurden zwangsgetauft.
König Wladislaw Jagiello forderte den Krakauer Rat nach diesem Vorfall auf, die Schuldigen zu bestrafen und das geraubte jüdische Vermögen zurückzugeben. Die Ratsherren beugten sich und stellten dreißig Krakauer Bürger unter Anklage. Die katholische Kirche und die Bestraften, die die Reaktion des Königs als schreiendes Unrecht betrachteten, sahen auf die Juden daraufhin mit noch größerem Hass und warteten darauf, dass die schützende Hand des Königshauses mit der Zeit schwächer werden würde …
1454 folgten die nächsten Ausschreitungen. Diesmal wurden sie durch einen wandernden Franziskanermönch, Jan Capistrano, und seine Hasspredigten ausgelöst. Anders als fünfzig Jahre zuvor nahm die Aggressivität keine so tragischen Folgen an; zumindest nicht in einem Maß, dass sie sich deutlich in den Geschichtsbüchern niedergeschlagen hätten, die derartige Vorfälle bekanntlich erst ab einer Mindestanzahl von Toten, Geschändeten,verbrannten Häusern und ruinierten Existenzen schildern. Jan Capistrano, bei dem man sich für die relative Gemäßigtheit der Reaktionen auf seine Predigten sicher nicht bedanken muss, zog danach wieder seiner Wege, die schließlich zu seiner späteren Heiligsprechung führten, was aber eine ganz andere Geschichte ist und hier nicht kommentiert werden soll.
Im Jahr 1485 schränkte der Krakauer Rat die Handels- und Geldverleihrechte der Juden drastisch ein: Den reichen Juden wurde das Pfandleihgeschäft gestattet, mit dem eingeschränkten Recht, die verfallenen Pfänder an lediglich zwei Tagen pro Woche in ihren Häusern zu verkaufen; die armen Juden durften nur noch die selbst hergestellten Mützen, Hauben und Kragen verkaufen. Damit war die Existenz der jüdischen Gemeinde in Krakau so stark bedroht wie seit 1407 nicht mehr. Die jüdischen Kaufleute waren jedoch einfallsreich genug, die Beschränkungen immer wieder zu umgehen, und die Beschwerden und Klagen der christlichen Kaufleute und Zünfte mehrten sich in immer besorgniserregenderer Form, bis …
… am 29. Juni 1494 Krakau einen Großbrand erlebte, der unter anderem das ganze Judenviertel zerstörte. Es ist bis heute unklar, wodurch der Brand ausgelöst wurde; aber als Schuldige wurden seinerzeit schnell die Juden ausgemacht. König Jan Olbracht Jagiello blieb nichts anderes übrig, als angesehene jüdische Bürger einzusperren, u. a. seinen Hofbankier und den Rabbiner, um den nach dem Brand aufflammenden Ausschreitungen gegen die Juden Einhalt zu gebieten. Der Stadtrat, unterstützt vom Bruder des Königs, dem Krakauer Kardinal, ergriff die Gelegenheit und bedrängte den König, die jüdische Gemeinde ein für alle Mal aus Krakau zu vertreiben.
Offenbar aber fanden
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