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Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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»Ich war in solcher Sorge um dich, ich war halb verrückt vor Angst, und als dann das Feuer ausbrach …« Ich verstand kein Wort mehr, weil, was sie mir zu sagen versuchte, in ihrem Schluchzen unterging. Ich starrte von Paolo zu Mojzeszund zurück und hob endlich die Arme und presste Jana an mich, noch immer unfähig, Erleichterung oder gar Freude zu empfinden.
    »Wo …«, stotterte ich.
    »Wie Paolo schon sagte: beim Herrn König«, erklärte Daniel. Er trat in den Tordurchgang, hielt inne und machte dann eine übertrieben tiefe Verbeugung, als ob er jemanden den Vortritt lassen wollte, und Sabina kam hervor, rollte mit den Augen wegen seines Getues und musterte mich dann. Wie Jana und Daniel war ihr Gesicht von dem nassen Ruß, der überall in der Luft hing, geschwärzt. Über ihre Wangen liefen zwei helle Streifen.
    »Wir haben deine Audienz vorweggenommen«, sagte sie.
    Ich starrte Mojzesz an.
    »Ich habe geplaudert«, erklärte der Bankier vergnügt und zuckte mit den Schultern. »Rebecca, mein Augenstern, komm, lassen wir diese Familie allein.« Er seufzte. »Sehen wir nach, was von unserem Haus noch übrig ist.«
    Rebecca trippelte über den Schutt in unserem Innenhof, vollkommen in Tränen aufgelöst, umarmte Sabina, kniff Daniel in die Wange, kniete vor Paolo nieder und schloss ihn in die Arme, dann kam sie zu Jana und mir herüber. Jana schluchzte immer noch wie ein kleines Kind in meinen Armen. Rebecca nickte mir zu, strich Jana über den Rücken und gesellte sich endlich zu Mojzesz. Er bückte sich und bot ihr seinen Arm, und auf diese merkwürdig gekrümmte Weise und ohne sich daran auch nur im Geringsten zu stören, führte er sie weg. Als er an mir vorbeikam, zwinkerte er mir zu.
    »Wenn ich dir helfen kann …«, sagte er und rollte die Augen in Richtung auf Janas zerstörtes Haus.
    »Oder ich dir …«, krächzte ich.
    Er nickte. Ich fühlte seine Hand nochmals auf meiner Schulter, dann hörte ich seinen schweren Schritt davongehen. Der Stadtknecht und der Zunftmeister stießen sich von der Wand ab.
    »Bei euch gibt’s noch Arbeit für uns, oder nicht, Bankier Fiszel?«, fragte der Zunftmeister. Ich hörte nicht, was Mojzesz ihm antwortete, aber sie gingen gemeinsam weg.
    Daniel nahm mit einer geschmeidigen Bewegung Paolo auf und setzte ihn sich auf die Schultern. Paolo quietschte.
    »Ich dachte …«, begann ich.
    »Wir haben dir eine Botschaft hinterlassen«, erklärte Sabina und deutete über die Schulter zu dem zerstörten Haus. »Du hast sie vermutlich nicht lesen können. Nun, nicht dein Fehler, Vater. Ausnahmsweise nicht dein Fehler.« Sie lächelte.
    »Peter«, stammelte Jana. »Julia. Sie ist …«
    »Ich weiß.« Ich fühlte, wie eine innere Erstarrung sich plötzlich zu lösen begann und etwas in meiner Seele in Bewegung geriet wie ein Erdrutsch. »Und Friedrich auch.«
    »Was hat er …?«
    »Er hat mir das Leben gerettet und dann versucht, euch aus dem brennenden Haus zu holen«, sagte ich. »Er wusste nicht, dass ihr gar nicht drin wart.«
    »Noch so ein sinnloser Tod«, schluchzte sie.
    »Nein«, sagte ich. »Nicht sinnlos.«
    Dann begann der Erdrutsch, und ich fühlte meine Knie weich werden und meine Anspannung verschwinden, und ich musste mich an Jana festhalten, so wie sie sich an mir festhielt; die Welt verschwamm vor meinem Gesichtsfeld, Daniel, der verlegen grinste, Paolo, der mich mit großen Augen musterte, Sabina, die sich mit dem Handrücken ungeduldig über das Gesicht wischte, und ich weinte vor Freude und schluchzte vor Glück und trauerte um die Menschen, die gestorben waren und freute mich über die Stadt, die ihrem schlimmsten Feind widerstanden hatte. Sie hatte ihn nicht besiegt, so wie das Böse, das in den Menschen wohnt, nie besiegt werden kann, aber sie hatte ihn vertrieben, und das Gute und Große, das sich heute gezeigt hatte, würde dafür sorgen, dass der Feind eine lange Weile nicht wiederkommen würde.
    Ich stand im Kreis meiner Familie und dankte Gott dafür, dass es ihn gab, und den Menschen dafür, dass sie es zugelassen hatten, dass seine Größe in ihnen sichtbar wurde.
    Ich weinte, und das Weinen war ein Gebet.
    Eliyahu, Yehoshua.
    Gott ist mein Herr, und er ist mein Retter.
    Halleluyah .

Epilog

    Wie macht man weiter , wenn man geglaubt hat, man wäre am Ende gewesen? Welchen Faden nimmt man auf, wenn man sicher war, alles verloren zu haben?
    Ich tat es, indem ich versuchte, die Geschehnisse jener drei Tage im Frühsommer 1486 abzuschließen. Ein

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