Der Sohn des Tuchhändlers
sich in den rauchenden Ruinen der Stadt doch noch einige vernünftige Bürger, die dem König mit klugem Rat zur Seite standen. So wies der König den überlebenden Juden direkt vor den Toren der Stadt und außerhalb des Rechtsbereichs des Krakauer Rats eine neue Wohnstatt zu: inder unter König Kasimir Wielki gut hundert Jahre zuvor entstandenen Satellitenstadt Kazimierz.
In den folgenden Jahrhunderten entwickelte sich Kazimierz zum führenden Zentrum der jüdischen Kultur im europäischen Osten und zu einer Welt mit eigenem Verständnis, eigener Rechtsprechung und eigenen Legenden. Erst die Nationalsozialisten, deren Reden die Hasspredigten eines Jan Capistrano und deren Gräueltaten jedes mittelalterliche Pogrom verblassen lassen, machten dieser Welt unwiederbringlich den Garaus.
Ich habe mir in meinem Roman die Freiheit genommen, die Ereignisse von 1485 und 1494 zeitlich zusammenzulegen und sie im Jahr 1486 zu platzieren, um sie zu einer Plattform für die Aktionen von Peter Bernward werden zu lassen. Im Jahr 1494 hätte Peter das 65. Lebensjahr erreicht und wäre damit für die Geschichte zu alt; außerdem wäre allzu viel Zeit seit der letzten Peter-Bernward-Geschichte, die 1478 spielt, vergangen. Nicht zuletzt jedoch – und jetzt bin ich wieder bei den Anfangszeilen dieses Nachworts angekommen – gab mir diese Zusammenlegung die Gelegenheit, an den tuchhändler , anzuknüpfen, da 1486 immer noch König Kasimir Jagiello (gest. 1492) an der Macht war, der Brautvater der Landshuter Fürstenhochzeit und die Verkörperung der politischen Schwierigkeiten, die sich wegen der ausstehenden Mitgiftzahlung der Polen an die Landshuter entwickelt hatten. Als schillernde historische Figur befand sich zudem um 1486 herum der Künstler Veit Stoß in Krakau, der dort am Altar der Marienkirche arbeitete, welcher als eines der größten gotischen Kirchenkunstwerke gilt und für den Stoß einen Betrag von 2 800 Florin erhielt, das Äquivalent des gesamten Bruttosozialprodukts der Stadt Krakau eines Jahres.
Wer sich mit der Geschichte der Intoleranz und des Chauvinismus befasst, als die sich unsere Vergangenheit leider allzu oft darstellt, wenn es darum geht, andere Glaubensrichtungenoder auch nur anderes Aussehen zu akzeptieren, wird in diesem Roman vielleicht die demütigende jüdische Kleidung vermisst haben. Vielerorts wurde die jüdische Bevölkerung gezwungen, schimpfliche Kleidungsstücke zu tragen, etwa den hohen, gelben Judenhut und den gelben »Judenfleck« auf dem Mantel für Männer; oder blaugestreifte Schleier für Frauen. Auf dem Baseler Konzil von 1431, also von der Zeit der Handlung meines Romans nicht allzu weit entfernt, wurde diese Kennzeichnungspflicht sogar erneuert.
Nichts davon gilt für das Krakau des Jahres 1486; die Juden kleideten sich nicht anders als die christliche Bevölkerung. Ich habe als einziges typisches Kleidungsstück die Jarmulke herangezogen, um unter anderem Mojzesz Fiszel damit zu charakterisieren. Ob die Jarmulke im fünfzehnten Jahrhundert tatsächlich schon ein religiöses Accessoire eines gläubigen Juden war, ist unklar; gesichert ist ihr Auftritt ab dem sechzehnten Jahrhundert.
Haben Sie sich in den Monatsnamen zurechtgefunden? Ich führe manchmal Diskussionen über meine bewusste Verwendung einer modernen Sprache in den Dialogen meiner Charaktere und habe dies in diversen Nachworten auch schon mehrfach erläutert. In Kapitelüberschriften halte ich eine gewisse Patina aber nicht für unangebracht, und so habe ich mich hinreißen lassen, die alten Bezeichnungen für die Monate zu verwenden. In unsere heutigen Begriffe übersetzt sind dies:
Wintermonat
Januar
Heumonat
Juli
Hornung
Februar
Erntemonat
August
Lenzmonat
März
Holzmonat
September
Ostermonat
April
Weinmonat
Oktober
Weidemonat
Mai *
Herbstmonat
November
Brachmonat
Juni
Heiligmonat
Dezember
* (weiden = (ahd.) wunnen,
was im Übrigen zum »Wonnemonat« Mai geführt hat)
An der Widmung, die ich diesem Buch vorangestellt habe, haben Sie sicher erkannt, dass ich wieder einmal einigen Menschen dankbar bin für die Geschenke, die sie mir gemacht haben, um mir das Schreiben der Geschichte zu ermöglichen. Diese Geschenke sind nicht materieller Natur gewesen; nichtsdestoweniger sind sie wertvoll für mich gewesen, und ich halte es für meine Pflicht, den Gebern dafür zu danken (abgesehen davon, dass ich es gern tue). Sie sind genauso an der Entstehung dieses Buches beteiligt gewesen wie ich, also lassen wir ihnen die
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