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Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Oder besser gesagt: Wenn Sie Wit Stwosz einladen, müssen Sie immer damit rechnen, dass er ein paar von seinen Gesellen und am liebsten noch sein Weib und alle Kinder, die schon aufrecht laufen können, mitbringt.Der Mann ist ja arm – da nutzt er jede Gelegenheit, die Seinen zum Futter zu bringen.«
    »Also waren sie schon mehrfach bei Ihnen.«
    »Außer dass der Meister und seine Frau all ihre Taschen mit Essensresten voll zu stopfen pflegen, bevor sie gehen, ist keiner aus seinem Haus jemals in irgendeiner Weise aufgefallen – falls es das ist, was Sie fragen wollten.«
    »Und wenn es unliebsame Vorfälle gegeben hätte – betrunkene Streitereien, eine Bildschnitzerhand, die sich unter einen Rock verirrt, unter dem sie nichts zu suchen hat, politisches Gepöbel?«
    Miechowita zuckte nicht mit der Wimper. »Würde sich daran nichts ändern, dass der Meister und sein Gefolge auf jede Festlichkeit eingeladen werden. Wie ich schon sagte – sie verleihen einer Veranstaltung den nötigen Glanz.«
    »Nötig für den Veranstalter, der sich dadurch mit den Lorbeeren anderer einen Namen verschafft.«
    Er sah mir gerade ins Gesicht. Ich hatte den Eindruck, dass seine Lippen leicht zuckten, als er versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken. »Haben Sie schon eine Festivität gesehen, bei der es um etwas anderes gegangen wäre? Sie und Jana waren übrigens auch eingeladen. Hat sie Ihnen nichts davon gesagt?«
    Seine vertrauliche Verwendung von Janas Namen machte mich noch wütender als alle Implikationen, die ich in seine Frage hineindeutete. »Sie muss an etwas Wichtigeres gedacht haben«, erwiderte ich.
    »Wenn Sie zugegen gewesen wären, hätten Sie diese hässliche Geschichte ja vielleicht verhindern können.«
    »Ich hätte mich darauf verlassen, dass der Hausherr der Schicklichkeit genügt.«
    »Verdammt nochmal«, sagte er, jetzt doch aufgebracht, »ich habe Ihnen doch schon erklärt, dass keiner überraschter war als ich. Ich hätte gedacht, dass Zofia keinen Augenblick aus dem Saal und aus der Überwachung ihrer beiden Aufpasser verschwindenwürde bei ihrem ersten großen Fest. Aber die Kleine ist entweder besonders arglos, oder sie hat Samuel nicht ernst genommen. Sie scheint ihm bedenkenlos ins nächste Obergeschoss gefolgt zu sein, während der Kaplan in diesem Moment nur Augen für irgendein Dekolleté in seiner näheren Umgebung hatte oder mit beiden Händen und dem Gesicht in einer teuren Leckerei hing.«
    »Es war Zofias erster Auftritt in der Gesellschaft?«
    »Wenn Sie die Kirchenbesuche wegrechnen – ja.«
    »Sie haben also zugelassen, dass ein völlig unerfahrenes junges Mädchen …«
    »Sagen Sie, wollen Sie oder können Sie nicht verstehen? Zofia hatte zwei Aufpasser dabei, den Kaplan, den ich sogar in den Saal lassen und wie einen Gast behandeln musste, und ihr Mädchen, das bei den anderen Dienstboten geblieben war. Ich konnte nicht ahnen, dass das nicht genügen würde. Laurenz Weigel hätte eben noch vier Muskelmänner mitschicken sollen; er muss doch gewusst haben, wie naiv sein Augensternchen ist.«
    Der Dienstbote, der vorhin bei Miechowita gestanden war, kam wieder aus der Tür. Er trug immer noch seine Fackel, und so wie sie heruntergebrannt war, trug er sie schon seit der Morgendämmerung, seit er mit ihr auf die noch dunkle Gasse getreten war und die Schweinerei an der Wand bemerkt hatte. Das Geschmier schien ihn noch mehr aus der Fassung gebracht zu haben als seinen Herrn. Er hatte einen weiteren Hausknecht in seiner Begleitung, und dieser schleppte einen Eimer, aus dem Wasser schwappte. In der anderen Hand trug er einen Lappen. Beide Männer stellten sich neben Miechowita und warteten, bis er ausgeredet hatte, dann grunzte der mit der Fackel etwas, das ich nicht verstand, Miechowita erwiderte gereizt: »Fangt schon an, heiliger Stanislaus!« (ihn verstand ich), und der Mann mit dem Eimer tauchte den Lappen ein und ließ ihn in Aktion treten. Auf der rauen Hauswand hörte sich das Wischen des Lappens wie ein Raspeln an, das mir sofort einen Schauer den Rückenhinuntersandte und meine Fingerspitzen kribbeln ließ. Unter dem Lappen verwandelte sich ein Arm der liegenden Gestalt, die Zofia Weigel darstellen sollte, in einen schmutzfarbenen Wischer, der an der Wand herunterzutröpfeln begann, einen hässlichen Fleck und noch hässlichere Tropfenspuren hinterließ. Miechowita betrachtete die Arbeit mit starrem Gesicht; der Knecht mit der Fackel warf ihm einen Seitenblick zu, sah zur Wand

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