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Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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ließ mich los, aber seine Hand schwebte noch ein paar Augenblicke über meinem Arm, bevor er sie sinken ließ. Er sah mir wieder ins Gesicht. Seine Stirn legte sich in tiefe Falten.
    »Wovon reden Sie eigentlich wirklich?«, fragte er ganz ruhig.
    »Hören Sie doch auf mit dieser Komödie. Wenn Sie auf diese Weise versuchen, auch Ihre Geschäftspartner zu übertölpeln …«
    »Nein, im Ernst. Worum geht es Ihnen?«
    »Das ist doch die Höhe …«
    »Passen Sie auf«, sagte er. »Bis gerade eben war ich überzeugt, Sie wollten mir damit drohen, mich wegen meiner unglücklichen Verwicklung in die Geschichte mit Zofia Weigel überall unmöglich zu machen. Mit anderen Worten, ich dachte, Sie wollten mich erpressen.«
    Nun war ich an der Reihe, und ich fürchte, ich lieferte das gleiche Schauspiel wie Miechowita vorher ab: ein Fisch auf dem Trockenen.
    »Erpressen?«, echote ich schließlich.
    »So, wie Sie betonten, dass außer ein paar Leuten keiner die genauen Umstände des Vorfalls kennt … und dass Sie einer davon wären … und dass Sie diese Gelegenheit nicht tatenlos verstreichen lassen würden …«
    Ich schüttelte den Kopf, ohne Worte zu finden. Langsam, ganz leise, und beinahe vom schrapp-schrapp-schrapp des Lappens hinter uns an der Hauswand übertönt, regte sich der Gedanke in mir, dass ich bis gerade eben auf dem Weg zum Vollidioten des Tages ein gehöriges Stück zurückgelegt hatte.
    »Aber ich habe mich getäuscht, oder?«, fragte Miechowita. »Es ging Ihnen nicht darum.«
    »Ich bin kein Erpresser«, hörte ich mich sagen.
    »Ich weiß. Davon habe ich doch geredet. Das ist der Ruf, der Ihnen anhaftet. Keine krummen Touren, nicht mal des Gewinns wegen. Jeder in der Stadt würde Ihnen bedenkenlos sein Geld anvertrauen, um darauf aufzupassen – und keiner, um es zu vermehren.«
    »Das ist ja nett«, brachte ich hervor.
    »Und Sie … was haben Sie denn gedacht, wovon ich rede? Haben Sie etwa … wollen Sie etwa andeuten … Jana Dlugosz und … ist es das, worauf Sie hinauswollten?« Er starrte zu seiner Hauswand hinüber, wo auch Zofia Weigels Martyrium nur noch eine scheußliche breit gewischte Stelle war. »Die Pfählung …?«
    »Vergessen Sie’s«, sagte ich, weil ich nicht die Kraft hatte, nochmals von vorne anzufangen. Ich hatte mich benommen wie ein verteufelter Narr. Wenn ich mit jemandem zu reden hatte, dann mit Jana, nicht mit ihm. Ich sage Ihnen persönlich den Kampf an . Du liebe Güte! Gerade, dass ich nicht gesagt hatte: Diese Stadt ist zu klein für uns beide . O Land der Peinlichkeit, dein Herrscher heißt Peter Bernward!
    Ich wandte mich ab und stelzte davon. Miechowita blieb stehen, wo er war.
    »Warten Sie«, rief er mir hinterher. »Ich kann nicht glauben, dass …«
    Ich starrte wie blind auf den Mann mit dem Lappen, der diesen in mittlerweile graurot gewordenem Wischwasser auswrang, die Hände an seinem Wams abstreifte und sich dann daranmachte, die Gestalt mit dem Judenhut und dem Davidsstern vorm Schritt von der Wand zu tilgen. Mein Gesicht brannte. Der Gedanke daran, was ich die letzten Minuten von mir gegeben hatte, war so heillos unangenehm, dass ich beinahe verzweifelt nach etwas anderem suchte, an dem sich mein Hirn festhalten konnte, bis ich zu Hause war. Ich weiß jedenfalls, wo ich hingehöre . Aah!
    »Herr Bernward!«
    Der Mann mit dem Lappen knallte sein Werkzeug an die Wand, dass das Schmutzwasser in alle Richtungen davonspritzte. Ich sah plötzlich, was mich die ganze Zeit an der Gestalt mit dem Judenhut irritiert hatte. Sie hatte nicht einfach ein schlampig mit wirren Strichen aufgepinseltes Gesicht – sie hatte etwas im Gesicht, das dieses verdeckte. Der Kerl, der Miechowitas Hauswand verunziert hatte, hatte mit schlechtem Material auf ungeeignetem Untergrund und vermutlich in Hast gepinselt, aber er verstand genug davon, um zu wissen, wie man was darzustellen hatte.
    Der Lappen wischte den Hut weg.
    »Halt!«, rief ich, noch bevor ich den Entschluss dazu fertig gedacht hatte.
    Das Gesicht des aus Blut und Schmutz gezeichneten Samuel ben Lemel war mit einem Tuch verbunden.
    Er war blind.
    Was hatte der Schmierer damit ausdrücken wol…?
    Der Lappen fuhr über die Stelle hinweg. Der Knecht drehte sich träge um und blinzelte zu mir herüber. »Häh?«
    Hut und Gesicht waren zu einem unkenntlichen Fleck verwischt.Ich starrte ihn an. Unter dem Lappen tröpfelte verwässertes Blut hervor und auf den Boden. Eine lange Tropfenspur lief an der Wand herab und

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