Der Sohn des Tuchhändlers
hinüber, wieder zurück zu seinem Herrn, dann bellte er etwas, und der Mann mit dem Lappen begann hastig, zuerst die Gestalt auszulöschen, die Fryderyk Miechowita sein sollte.
»Bilden Sie sich bloß nicht ein, ich stehe tatenlos daneben«, sagte ich, obwohl ich wusste, wie lächerlich ich mich machte; aber ich hielt es nicht mehr aus. Miechowita schreckte auf.
»Was? Wollen Sie mir etwa helfen, diese Schweinerei abzuwischen? Meine Knechte können das ganz …«
»Tun Sie nicht so«, sagte ich.
Er riss sich von der Arbeit seiner Männer los und sah mir forschend in die Augen. Plötzlich kniff er die Lippen zusammen.
»Darauf läuft es hinaus«, erklärte er. »Ich muss gestehen, ich bin überrascht.«
»Wenn meine Einstellung Sie überrascht, müssen Sie noch naiver sein als Zofia Weigel, und die haben Sie eben als maßlos naiv hingestellt.«
»Tatsächlich hätte ich nicht gedacht, dass das in Ihnen steckt.«
Der Wunsch, Miechowita zu erdrosseln, den ich vorhin verspürt hatte, war nichts gegen den Wunsch, den ich jetzt verspürte, ihm mit der Faust zwischen die Augen zu schlagen.
»Man sollte seine Mitmenschen nie unterschätzen«, sagte ich und hoffte, es klang leichthin.
Miechowita war mittlerweile blass geworden. Er schwieg lange Zeit. Ich hörte das schrapp-schrapp des Lappens, der mittlerweile einen Großteil von Miechowitas Duplikat in eine formlose Schmiererei verwandelt hatte, die aussah, als habe jemandeinen Eimer frischen Straßenkot an die Wand gespritzt. Herablaufende Wasserfäden zogen sich kreuz und quer über die liegende Gestalt und fraßen sich in den jüdischen Hut von Samuels Alter Ego. Eine Hand voll Schmutz hatte sich in dem Loch gefangen, das in Zofias Körper gehackt war, und sickerte langsam in die Wand hinein. Es würde einiger heftiger Regenfälle bedürfen, um das Mal an Miechowitas Haus auszulöschen.
»Damit bin ich nicht allein«, erklärte Miechowita. »Ich habe mich vor einiger Zeit über Sie umgehört, und jeder sagte mir …«
»Sie haben was ?«, schrie ich. »Sind Sie von jedem Feingefühl verlassen, Mann?«
Er war so überrascht, dass er sich verteidigte: »Das hätten Sie doch auch nicht anders gemacht!«
»Ich hätte überhaupt keinen Gedanken daran verschwendet, zu … zu … in jemandes Haus zu gehen und sich dort … und sich dann auch noch vorher rückzuversichern, dass …« Ich brach ab und versuchte, den Knecht mit Fackel, der sich von den Säuberungsarbeiten abgewandt hatte und uns mit unverhohlener Neugier angaffte, mit einem Blick zu erdolchen. Miechowita wurde auf das Gegaffe aufmerksam, zischte etwas, und der Fackelträger fiel fast über seine eigenen Füße im Versuch, ein paar Schritte zurückzutreten. Miechowita packte mich am Ärmel und zerrte mich zur Sankt-Anna-Kirche hin.
»Schreien Sie nicht so«, sagte er heftig. »Es muss ja nicht die ganze Welt zuhören.«
»Nur keine falsche Zurückhaltung!«
»Ich lasse mir das nicht gefallen«, erklärte er. »Ich bin nicht so weit gekommen, nur um mir von einem Fremden Knüppel zwischen die Beine werfen zu lassen. Euresgleichen meint, die wirtschaftliche Macht in Krakau noch in Jahrhunderten untereinander aufteilen zu können, aber damit ist Schluss. Jana Dlugosz und ich, wir sind vom gleichen Schlag: polnische Kaufleute, die es aus eigener Kraft geschafft haben. Wenn wir unszusammenfinden, dann habt ihr deutschen Pfeffersäcke wirklich etwas, worüber ihr in euren Kirchen lamentieren könnt, und Wit Stwosz, dieses gierige Arschloch, kann euch samt und sonders als Modelle für die Klageweiber an seinem Altar verwenden! Schauen Sie nicht so ungläubig. Sie sind noch mehr ein Fremder hier als die Wierzigs und Vogelfeders und wie sie alle heißen. Jana Dlugosz und ich, wir gehören hierher; Sie nicht.«
»Ich weiß jedenfalls, wo ich hingehöre und wo Sie nichts verloren haben: unser Haus. Jana und mich verbindet zu vieles, als dass Sie sich jetzt dazwischendrängen könnten. Und sollten Sie es versuchen, dann sage ich Ihnen persönlich den Kampf an. Keine geschäftlichen Tricksereien, keine politischen Schachzüge um zehn Ecken, sondern Sie und ich, und ich werde nicht ruhen, bis ich Sie Ihre Sachen packen und diese Stadt verlassen sehe.«
Er holte Atem und starrte mich an. Dann machte er den Mund auf und wieder zu. Ich sah seine Fassungslosigkeit mit Befriedigung. In der Hitze des Gefechts hatte er immer noch meinen Ärmel gepackt. Ich zupfte am Stoff, und seine Blicke fielen auf seine Hand. Er
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