Der Sohn des Tuchhändlers
haben Sie uns hierher geholt, wenn Sie mit uns nichts anfangen können und alles andere Ihnen wichtiger ist als wir? Und jetzt verprellen Sie auch noch Ihre Freunde, wie mir scheint. Genau wie damals.«
»Sabina«, sagte ich mühsam, »ich glaube, du überschreitest …«
»Wissen Sie, was der einzige wirkliche Unterschied zu damals ist? Maria und ich mussten warten, bis jemand uns aus der Gegenwart eines Vaters erlöste, der wie ein lebender Leichnam durchs Haus wandelte. Heute steht es mir frei, einfach zu gehen. Daniel wird nicht zögern, auch mitzukommen. Er hält es schon nicht einmal mehr hier aus, nach nur einer Nacht – er ist gleich am Morgen weggegangen.«
»Wohin?«
»Zu dem Bildschnitzermeister, der hier lebt. Er hatte eine Empfehlung für ihn. Sie wissen doch, wie neugierig er auf allesist, was mit Kirchenbau … aber das interessiert Sie ja doch nicht wirklich.«
»Sabina …«
»Ich glaube, Sie halten es mittlerweile für einen Fehler, uns gerufen zu haben.«
Ich wandte mich an Jana, aber sie schüttelte den Kopf und zuckte gleichzeitig mit den Schultern. »So sieht es für jeden Außenstehenden aus, Peter.«
»Aber das ist doch Unfug!«, rief ich. »Es ist doch nur … ich habe doch lediglich …«
»Du ermittelst wieder«, sagte Jana plötzlich.
»Was?«
»Ich glaube, du hast dich wieder in irgendeine Sache hineinreden lassen.«
» Hineinreden ? Ich kann mich erinnern, dass du früher anders geurteilt hast, wenn ich mich um einen Fall bemühte.«
»Also habe ich Recht. Was ist es?«
»Du hast völlig Un recht.«
» Ich kann mich erinnern, dass du mir früher vertraut hast, wenn du versucht hast, eine Sache aufzuklären.«
»Wie man in den Wald hineinruft …«, knurrte ich.
»Ich weiß, worauf du anspielst. Damals in Venedig – ich habe dich gehen und die Sache mit den Kindern aufklären lassen, obwohl es mir selbst so dreckig ging, dass ich dachte, ich müsse sterben. Aber das war etwas anderes, Peter. Ich wusste, dass du unglücklich würdest, wenn du nicht versuchen könntest, die Morde aufzuklären und den Kindern zu helfen. Aber heute …«
»Was ist heute?«
Jana wies mit einer heftigen Geste zu Sabina hinüber. »Heute ist es genau umgekehrt. Deine eigenen Kinder sind da. Wie lange hast du darauf hingearbeitet. Heute machst du dich unglücklich, wenn du irgendeiner Sache hinterherläufst, zu der dich Mojzesz oder Friedrich von Rechberg oder was weiß ich wer überredet haben, anstatt dich um deine Familie zu kümmern!«
»Das ist nicht irgendeine Sache. Ich dachte zuerst auch, dass … aber tatsächlich …« Ich verstummte.
»Was?«
»Ich habe Vertraulichkeit versprochen.«
»Selbst gegenüber mir?«
»Du weißt doch, dass man Worte nicht mehr aufhalten kann, wenn sie einmal ausgesprochen sind.«
»Sehr schön«, sagte Sabina. »Ich habe das Gefühl, das ging gegen mich.«
»Blödsinn!«, rief ich. »Wie wär’s, wenn du zuerst denkst und dann redest?«
»Ich lasse nicht zu, dass Sie mit mir umspringen, als wäre ich noch ein kleines Mädchen.«
»Dann benimm dich nicht so.«
Sabina schnappte nach Luft. Ich wusste, dass ich mit meiner Wut längst auf eine abschüssige Bahn geraten war, und jedes meiner verletzenden Worte seifte die Bahn noch ein. Ich taumelte bereits seit einigen Sätzen dem Abgrund entgegen.
»Peter, Sabina und ich wollen doch nur wissen, was dich bewegt. Vielleicht können wir dir helfen. Sag uns, was dich verärgert.«
»Eine Diskussion wie diese verärgert mich!«, stieß ich hervor und wusste, dass ich damit ein ganzes Stück weiter hinabschlitterte.
Sabine wandte sich ab und ballte die Fäuste. »Hoffnungslos«, sagte sie.
Janas Blicke ließen mich nicht los. Das Unverständnis in ihrem Gesicht verärgerte mich noch mehr. Ich empfand es als aufgesetzt. Ich empfand das dringende Bedürfnis, ihr meinen Verdacht wegen Miechowita entgegenzuschleudern und zu beobachten, wie ihre Überlegenheit in sich zusammenfiel (Wollte ich das wirklich? Und damit wissen, dass meine Ahnungen zutreffend waren?) und gestotterten Erklärungsversuchen ihrerseits Platz machte – so, wie ich herumstotterte, seit ich hereingekommenwar. Aber Sabinas Anwesenheit hielt mich davon ab.
»Wenn du mit Mojzesz genauso umgesprungen bist wie mit uns, dann wundert es mich, dass er das Wams für Paolo überhaupt noch vorbeigebracht hat.«
»Er ist eben ein guter Mensch«, erklärte ich gehässig.
»Ich erkenne dich nicht wieder«, sagte Jana.
»Ich schon«, sagte
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