Der Sohn des Verräters - 21
verunstalteten. Es war schlimm genug, dass er sich an stibitzten Torten aus der Küche überfraß und offenbar Anstalten machte, Diebstahl als seine Vollzeitbeschäftigung anzusehen. Marguerida überlegte, ob sich ein Teil dieser kolossalen Energie nicht in künstlerische Bahnen lenken ließe, wozu Rhodri durchaus talentiert zu sein schien. Aber der Gedanke war müßig, denn in wenigen Monaten würde er zu seiner ersten Ausbildung nach Arilinn gehen, und danach warteten die Kadetten auf ihn. Sein Leben war bereits verplant, sofern das bei der unsicheren Lage der Dinge überhaupt möglich war.
Margueridas Jahre auf Darkover waren nicht störungsfrei verlaufen, und daran war größtenteils die terranische Föderation Schuld gewesen. In den beiden vergangenen Dekaden hatte die Föderation den Druck auf den Planeten erhöht, seinen geschützten Status aufzugeben und Vollmitglied zu werden. Das hätte bedeutet, Steuern in die Kassen der zunehmend räuberischen Terraner zu zahlen, und es hätte außerdem drastische Änderungen in der Art und Weise, wie Darkover regiert wurde, zur Folge gehabt, Wenn ein Planet Teil der Föderation wurde, unterwarf er sich ihr und verlor im Wesentlichen die Autonomie über seine eigenen Ressourcen und seine Regierungsform. Aus diesem Grund hatte Lew energisch davon abgeraten, den geschützten Status aufzugeben, eine Entscheidung, die ihn zum Verbündeten von Javanne machte. Es hatte Javanne nicht sonderlich gefreut, dass Lew ihre Meinung teilte, da ihre noch aus der Jugendzeit stammende Abneigung gegen ihn sich mittlerweile zu etwas verhärtet hatte, das fanatischem Hass nahe kam, aber wenigstens fanden ihre erbitterten Auseinandersetzungen im Rat der Comyn damit ein Ende. Die „Debatten“ bei den Ratssitzungen waren häufig emotional aufgeheizt und von Rachsucht geprägt und ließen bei Marguerida ein tiefes Verlangen nach Ruhe und Frieden entstehen. Doch wie ihr Lew ruhig darlegte, konnte es keinen Frieden auf Darkover geben, denn es wäre unnatürlich gewesen, wenn alle einer Meinung wären.
Anstatt mit ihrer Arbeit zu beginnen, wanderten Margueridas Gedanken zu den Problemen, welche die Föderation Darkover Unaufhörlich bereitete. Es war wirklich sehr ärgerlich, dass sie sich nicht konzentrieren konnte. Dann hielt sie inne, sah stirnrunzelnd auf die Notenzeilen und schließlich zum Kaminfeuer. Sie war im Laufe ihrer Studien mit Istvana Ridenow äußerst diszipliniert geworden, und es war ungewöhnlich, dass ihre Gedanken so abschweiften. vielleicht gab es doch einen Grund für ihre innere Unruhe. Marguerida war hinsichtlich der sich verschlechternden Beziehungen zwischen Darkover und der Föderation stets auf dem Laufenden, auch wenn sie versuchte, möglichst im Hintergrund zu bleiben. Javanne missfiel an ihr unter anderem, dass Marguerida aufgrund ihrer Position die Ansichten ihres Mannes, ihres Vaters und einiger anderer auf Burg Comyn beeinflussen konnte. Javanne ging davon aus, dass sich ihre Schwiegertochter einmischte, denn das würde sie selbst schließlich auch tun, wenn sie die Gelegenheit dazu bekäme.
Um diesem Misstrauen entgegenzuwirken, hatte Marguerida nach Kräften versucht, sich als richtige darkovanische Frau zu geben, die sich nur für häusliche Dinge und nicht für Staatsangelegenheiten interessierte. Wie sie bereitwillig zugab, war ihr das nicht sehr gut gelungen. Sie war viel zu energisch, um während der Ratssitzungen einfach nur still zu sitzen, auch wenn sie sich das jedes Mal wieder gelobte.
Es war wirklich komisch. Sie und Javanne waren sehr ähnlich veranlagt, und während Marguerida den Vorteil einer in der Föderation erworbenen Bildung besaß, kannte dafür ihre Schwiegermutter Darkover wie ihre Westentasche. So waren sie in fast allen Dingen uneins, und das oft auf schmerzliche Weise. Javanne konnte einfach nicht begreifen, dass man sich mit der Föderation auseinander setzen musste; sie ließ sich weder wegwünschen noch fortschicken.
Selbst wenn die beiden einer Meinung waren, so wie damals, als der Stützpunktleiter einige Medienschirme in den Gasthäusern der Handelsstadt installierte und Regis sie wieder abbauen ließ, weil sie das Abkommen mit der Föderation verletzten, geschah dies widerwillig und auf unfreundliche Art.
Als Marguerida nun an diesen Zwischenfall dachte, regte sich etwas in ihr, und sie fragte sich, ob Belfontaine etwa einen weiteren Eingriff in die darkovanische Lebensart plante. Sie besaß keinerlei Informationen, die
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