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Der Sohn des Verräters - 21

Der Sohn des Verräters - 21

Titel: Der Sohn des Verräters - 21 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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einen solchen Verdacht nahe gelegt hätten, aber manchmal schien ihr Unterbewusstsein schlauer zu sein als ihr wacher Geist.
    Natürlich hatte es diese seltsamen Vorfälle im letzten Sommer gegeben. Ein kleiner Tumult auf dem Pferdemarkt, und alle möglichen Gerüchte, die vorbeigezogen waren wie die Wolken am Himmel. Es war ein Sommerfieber gewesen, und die normalerweise friedliche Bevölkerung der Stadt hatte sich für kurze Zeit hässlich und böse geze igt. Aber warum sollte sie das gerade jetzt beunruhigen, da sie ein paar ungestörte Stunden zum Arbeiten hatte? Sie fühlte einen Schauder des Unbehagens, nicht zum ersten Mal, seit sie sich an den Schreibtisch gesetzt hatte, wie ihr nun klar wurde.
    Irgendetwas beunruhigte Marguerida, und es war nicht die Föderation, nicht ihre Kinder oder Mikhail oder sonst etwas, das sie eindeutig bestimmen konnte. Sie verspürte einen leichten Anflug von Kopfschmerz und ein komisches Gefühl im Magen, fast als wäre sie wieder schwanger. Da sie wusste, dass dies nicht der Fall war, konnte sie sich ihr Unwohlsein nicht erklären, es sei denn, sie wurde ernsthaft krank. Schnell verwarf sie den Gedanken und wandte sich wieder ihrer Arbeit auf dem Schreibtisch zu.
    Sie musste sich wirklich zusammennehmen und konzentrieren. Marguerida hatte sich selbst einen Termin gesetzt, den sie einhalten musste. In drei Wochen hatte Regis Geburtstag, und es war Brauch geworden, zu diesem Anlass für musikalische Abendunterhaltung zu sorgen. An diesem Tag sollte, als Geschenk für ihn, die Premiere ihrer Oper sein, deren Thema die Sage von Hastur und Cassilda war, den legendären Ahnen seines Hauses. Zum Glück gehörte es zu den ganz normalen Vorbereitungen auf das Ereignis, dass eine wachsende Zahl von Musikern in die Burg kam. Ein noch größeres Glück war es, dass die Sänger und Instrumentalisten Marguerida als ein inoffizielles Mitglied ihrer Gilde betrachteten. Bisher konnte das ganze Projekt vor Regis geheim gehalten werden, auch wenn sie überzeugt war, dass er etwas ahnte. In einer Burg, welche die verschiedensten Telepathen beherbergte, war es zwar schwierig, aber dennoch nicht unmöglich, eine Überraschung zu planen.
    Marguerida schloss die Augen und lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Erneut ließ sie die Alton-Gabe ihre Fühler ausstrecken und nach der Quelle ihres Unbehagens suchen. Diese besondere Eigenschaft ihrer Gabe hatte sie vor Jahren entdeckt, in einem längst zerstörten Turm in der fernen Vergangenheit, als sich ihr Leben für immer verändert hatte. Alles schien in Ordnung zu sein, also beschloss sie, dass sie sich einfach nur töricht benahm. Sie zuckte mit den Achseln, öffnete die Augen und griff zur Schreibfeder.
    Nachdem sie die Feder ins Tintenfass getaucht hatte, begann sie die erste Seite abzuschreiben. Die darkovanische Notenschrift unterschied sich von der, die sie an der Universität gelernt hatte, aber nach all der Zeit war sie ihr vertraut und ging ihr leicht von der Hand. O ja, es war richtig gewesen, es selbst zu tun – hier gab es eine Stelle, wo unklar war, was sie gemeint hatte, Kein Wunder, nachdem sie das Original ein halbes Dutzend Mal umgearbeitet hatte. Sie summte die Noten, vokalisierte leise eine Strophe und nahm die notwendigen Korrekturen vor.
    Nach einer halben Stunde hatte Marguerida vier Seiten sauber abgeschrieben, als ein rötlicher Sonnenstrahl durch das schmale Fenster fiel, den Schreibtisch erhellte und sie blinzeln ließ. Sie stand auf, um das blendende Licht auszusperren, aber statt den Vorhang zuzuziehen, blieb sie einen Moment stehen und sah hinaus. Ihr elfenbeinfarbenes Wollkleid schmiegte sich in bequemen Falten um ihren noch immer schlanken Körper, und die Schürze, die sie angelegt hatte, um Tintenflecke zu vermeiden, saß straff auf ihrer Taille. Eine frische Brise ließ die Fähnchen auf dem gegenüberliegenden Dach flattern, und der Geruch des Herbstes war allgegenwärtig. Unter anderen Umständen wäre sie jetzt draußen, auf einem Ausritt mit ihrem Pferdeknecht und zwei Wächtern. Sie würde sich zwar über die Eskorte ärgern, aber dennoch die frische Luft genießen. Dorilys, ihre geliebte Stute, war inzwischen achtzehn Jahre alt und schon schwach, deshalb ritt sie eins ihrer Fohlen, eine lebhafte, zinngraue Stute mit einem weißen Stern auf der Brust, die auf den Namen Dya nia hörte.
    Es fiel schwer, einen so schönen Tag im Haus zu verbringen; mit gewaltigem Widerwillen wandte sie sich ihrem Schreibtisch

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