Der Sohn des Verräters - 21
mit dem Rücken zum Kutscher, und die Vorwärtsbewegung des Gefährts drohte ihn ständig von der Bank zu schieben. Herm und Katherine, die ihm gegenübersaßen, hingen schweigend ihren Gedanken nach. Man brauchte kein Laran , um zu merken, dass die beiden viel zu bereden hatten, und Domenic wünschte, er wäre in der Kutsche mit Illona und Großvater Gabriel gefahren, damit die Aldarans ihre offensichtlich benötigte Ungestörtheit gehabt hätten.
„Bitte, es ist nicht zu übersehen, dass ihr viel zu besprechen habt“, sagte er schließlich, als er ihr gespanntes Schweigen nicht länger ertrug. „Wenn ihr so tun könnt, als ob ich nicht hier wäre dann werde ich mich bemühen, nicht zu lauschen.“ Daraufhin wandte er den Kopf und blickte aus dem Fenster auf die Beine des Gardesoldaten, der neben dem Fahrzeug ritt.
Herm ließ eine Art Knurren hören, ein Geräusch, das Domenic inzwischen sehr vertraut war. „Ich wünschte, es wäre so einfach, Neffe.“ Katherine sah ihren Mann von der Seite her prüfend an. „Es ist so einfach – nur willst du gar nicht mit mir sprechen, du willst mich bloß mit deinem Charme dazu bringen, dass ich die letzten Tage vergesse. Domenic ist nicht das Problem, Herm. Du bist das Problem!“ „Was ist nur in dich gefahren, Kate? Ich sagte doch, dass es mir leid tut!“ Kaum bin ich ein paar Tage weg, scheint sie ein völlig anderer Mensch zu sein – einer, den ich überhaupt nicht kenne.
„Es reicht nicht, dass es dir Leid tut, das weißt du genau!“ Sie hielt inne und schien ihre Entschlossenheit, vielleicht auch ihre Nerven zu sammeln. „Warum läufst du ständig weg?“ „Wie bitte?“ Herm wurde knallrot, als hätte sie einen wunden Punkt getroffen, für den er sich schämte.
„Etwa nicht? Vermeidest du es denn nicht nach Kräften, irgendwem zu nahe zu kommen, selbst mir? Ich weiß nicht, warum ich es nicht schon früher bemerkt habe. Obwohl, das stimmt gar nicht. Ich habe es gewusst, und es war einer der Gründe, warum ich dich geheiratet habe – umso törichter von mir.“ „Das wirst du erklären müssen, Katherine, denn ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.“ „Ich weiß, es klingt ironisch, aber mir scheint, ich habe mich selbst nie verstanden, bis ich nach Darkover kam, habe nie begriffen, warum mir in Gegenwart anderer meistens unbehaglich zu Mute ist. Dich, Hermes-Gabriel Aldaran, habe ich auch deshalb geheiratet, weil ich mich mit dir wohl fühlte – und jetzt erkenne ich, dass der Grund dafür deine Distanziertheit ist! Sicher, du bist lieb und nett und äußerst hingebungsvoll, aber es gibt einen Teil von dir, den du nicht preisgibst. Dieser Teil sorgte dafür, dass ich mich nicht bedroht fühlte, aber jetzt ist alles so anders. Wenn wir unsere Ehe noch kitten wollen, wirst du dich ändern müssen!“ Domenic wünschte, er könnte irgendwie verhindern, dass er alles mithörte, aber er war gleichzeitig auch sehr interessiert. Sprachen seine Eltern auch über solche Dinge, wenn sie allein waren? Es musste so sein, denn sowohl Mikhail als auch Marguerida waren sehr starke und eigensinnige Persönlichkeiten, und sie hatten ihre Ehejahre sicher nicht ohne Auseinandersetzungen überstanden. Das war eine neue und nicht ganz angenehme Einsicht in die Beziehung der zwei wichtigsten Menschen in seinem Leben. „Distanziert? Ich?“ Herm klang jetzt eingeschnappt, fast wie ein Kind.
„Ja, und du versteckst dich auch! Oder glaubst du, dass dieser muntere, leutselige Bursche, den du spielst, der echte Hermes ist?“ Der Mann krümmte sich und verschränkte die Finger. Dann schluckte er heftig und entgegnete: „Ich vermeide es eben möglichst, in mich hineinzuschauen.“ „Dann solltest du lieber damit anfangen, sonst werde ich … ich weiß es nicht genau. Vielleicht schließe ich mich der Malergilde an und trenne mich von dir. Oder ich lasse mich für den Rest meiner Jahre von deinem Bruder ernähren. Auch wenn du mich auf diese fremde Welt ins Exil geführt hast, bin ich nicht ohne Möglichkeiten!“ „Du verlangst von mir, ein anderer Mensch zu werden. Ich weiß nicht, ob das realistisch ist. Ich weiß nicht, ob ich das kann.“ „Ich will, dass du es versuchst. Ich lasse mich nicht mehr ausschließen, und ich will auch nicht mehr im Stich gelassen werden, Herm. Das solltest du möglichst schnell in deinen klobigen Aldaranschädel kriegen!“ „Reicht es denn nicht, dass ich dich liebe?“ „Nicht annähernd, Cario.“ Die Kosebezeichnung nahm ihrer
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