Der Sohn des Verräters - 21
niemand sonst verstand. An diesem Abend schien sich Alanna trotz der allgemeinen Atmosphäre von Trauer von ihrer besten Seite zu zeigen. Mikhail dankte den Göttern für diese Gunst und wandte sich zum Eingang des Speisesaals um.
Herm und seine Familie betraten soeben den Raum, und Mikhail verbannte alle anderen Gedanken aus seinem Kopf. Hinter ihm nahm Donal Haltung an, er war mit jeder Faser auf der Hut und musterte die Neuankömmlinge prüfend und sehr feindselig, viel zu misstrauisch für einen so jungen Mann.
Mikhail unterdrückte einen Seufzer, denn wie er selbst hatte Donal nie eine echte Kindheit gehabt. Er wusste, er hatte aus seiner Sicht die richtige Entscheidung getroffen, als er seinen jungen Verwandten zum Friedensmann machte, aber er war sich nicht sicher, ob es auch die beste Wahl für Donal bedeutete.
Mikhail musterte Hermes Aldaran und versuchte das Aussehe n des Mannes vor ihm mit der Erinnerung an eine viel jüngere Person in Einklang zu bringen, die er vor mehr als zwanzig Jahren flüchtig kennen gelernt hatte. Herm hatte nun wesentlich weniger Haare auf dem Kopf und einen Bauchansatz, der von wenig körperlicher Aktivität zeugte. Um die Augen zogen sich interessante Falten, und der im krausen Bart beinahe versteckte Mund war üppig und wie zum Lachen geschaffen. Jetzt stand allerdings keine Fröhlichkeit in seinem Gesicht, sondern nur eine gewisse Anspannung, als wäre er sich nicht sicher, ob er hier willkommen war.
An seiner Seite war eine sehr attraktive Frau, mit schwarzem Haar und, wie Lew schon erwähnt hatte, einem kantigen und energischen Kinn. Zwei Kinder standen neben ihr. Der Junge, der wie etwa dreizehn aussah, hatte graue Augen, die sofort interessiert und bewundernd zu Alanna hinüberwanderten. Das Mädchen, es mochte neun oder zehn Jahre alt sein, wirkte ein wenig schüchtern in Gegenwart so vieler Fremder. Lew hatte Recht – die kleine sah wie eine Aldaran aus und hätte leicht für eine Tochter Margueridas oder Giselas gehalten werden können.
Sie alle waren nach der Mode der Föderation gekleidet, was Mikhail überspannt und exotisch vorkam. Terese, das Mädchen, trug einen kurzen Rock aus irgendeinem glänze nden Stoff, und ihre noch staksigen Beine steckten in gewobenen Strümpfen mit einem lebhaften Muster. Ihre Mutter trug ein eng sitzendes Kleid aus dunkelrotem Samt, das tief ausgeschnitten war und den Busen betonte. Der Rock des Kleides war vorn knielang, fiel nach hinten zu Bodenlänge ab und ließ anmutige Waden und Füße in glänzenden Schuhen sehen. Ihr offenbar langes schwarzes Haar war kunstvoll geflochten und zu einem Knoten aufgesteckt, der züchtig den Nacken verdeckte. Lange metallene Ohrringe baumelten links und rechts von ihrem schlanken Hals. Herm und der Junge trugen Jacken, die an der Taille abrupt endeten, darunter gestärkte Hemden und enge Hosen, die Mikhail ziemlich unbequem vorkamen. Alles in allem war es ein grotesker Aufzug, und er musste sich sehr zusammennehmen, um nicht auf Katherines Beine zu starren.
Katherine sah Marguerida an, dann Alanna und Yllana. Ihr Gesicht verdüsterte sich einen Moment lang bestürzt, und als Mikhail Gisela und seinen Bruder Rafael hinter den Aldarans hereinkommen sah, wurde ihm klar, dass seine stets boshafte Schwägerin wieder einen ihrer üblen Streiche gespielt hatte.
Wahrscheinlich hatte sie Katherine zu dieser Bekleidung geraten. Doch schon bemerkte er, wie die Frau ihre Fassung wiedergewann und sich in dem hübschen, aber unpassenden Kleid kerzengerade aufrichtete. Sie war seit mehr als zehn Jahren die Frau eines Senators und kam wahrscheinlich in Situationen zurecht, die sich Mikhail nicht einmal vorstellen konnte.
Du meine Güte – sie ist schwer verstimmt, Mik.
Kaum zu übersehen, Caria.
Gisela hat angeboten, sich um Katherine zu kümmern, und ich
bin davon ausgegangen, sie werde ihr schon sagen, welche Kleidung angemessen sei. Ich war so müde, dass ich nicht mehr richtig denken konnte! Ich weiß, dir ist es egal, aber wir Frauen nehmen solche Dinge sehr ernst. Verdammt! Mein optimistischer Liebling! Nach all den Jahren solltest du wissen, dass man Gisela nicht trauen kann. Katherine hat sehr hübsche Beine, findest du nicht?
Müsste ich eifersüchtig sein?
Niemals, Liebste, niemals.
Herm räusperte sich. „Guten Tag, Mikhail. Es ist lange her,
nicht wahr? Ich möchte dir meine Frau vorstellen, Katherine
Korniel Aldaran, und unsere Kinder Amaury und Terese.“ „Willkommen auf Burg
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