Der Sohn des Verräters - 21
Marguerida lachte, und es klang wundervoll in Domenics Ohren. Seine Mutter hatte nicht sehr oft gelacht in letzter Zeit, und bis eben hatte er gar nicht gewusst, wie sehr er es vermisste. „Was er zu sagen hat, ist nützlich, aber ich gebe zu, dass sein Stil ziemlich zu wünschen übrig lässt. Absolut einschläfernd. Allerdings wundert es mich ein bisschen, dass du dir das Buch ansiehst. Gibt es dafür einen besonderen Grund?“ „Ich war nur neugierig.“ Schon wieder geflunkert, wenn auch nur ein wenig. Er war natürlich neugierig, aber der eigentliche Anlass für die Lektüre war gewesen, dass er Hinweise auf seine einzigartige Veranlagung zu entdecken hoffte, dass er herausfinden wollte, ob schon jemand vor ihm den Planeten gehört hatte. Er konnte mit niemandem darüber reden, nicht einmal mit seiner Mutter, der er immerhin völlig vertraute.
„Gut. Bewahre dir diese Eigenschaft.“ Dann küsste sie ihn auf die Stirn und ging, sichtlich zufrieden gestellt.
Domenic wartete ungeduldig, bis es in der Suite still war und er keine Gedanken in der Nähe hören konnte. Dann krabbelte er aus dem Bett, zog das Nachthemd aus und legte seinen ältesten Überrock und eine Flickenhose an, dazu Reitstiefel. Er nahm einen schäbigen alten Mantel, den er besonders mochte und hartnäckig weiter trug, und sah sich in seinem Zimmer um. Er formte mehrere Kissen zu einem Körper und stopfte sie unter die Bettdecke, die er ganz weit nach oben zog. Er betrachtete sein Werk und fand, es würde seinen Zweck erfüllen, bis er zurückkam. Dann löschte er die Kerzen, was den Raum fast in völlige Dunkelheit tauchte. Das Licht des kleinen Kamins reichte kaum bis zum Bett, und es warf ein paar hübsche Schatten, die sein Täuschungsmanöver unterstützten. Domenic war sehr zufrieden mit sich.
Über die Dienertreppe schlich er aus dem Zimmer und wandte sich im rückwärtigen Flur in Richtung der riesigen Küchen. Selbst aus der Ferne hörte er das Klappern der Töpfe und Pfannen, die Anweisungen der Oberköchin an ihre Helfer, die alle mit der Vorbereitung des Mahls beschäftigt waren.
Dann hörte er jemanden in seine Richtung kommen und flitzte hinter die erste Tür, die er fand. Sein Herz hämmerte vor Aufregung. Es war sehr dunkel hier drin, und dem Geruch nach war er in der Vorratskammer. Gleich darauf hörte er Schritte an der Tür vorbeigehen und wusste, wer es war. Nur einer der Burschen, die in der Küche die Spieße drehten und dessen Gedanken ganz darauf konzentriert waren, für die Köchin etwas zu holen.
Sobald im Korridor wieder Ruhe eingekehrt war, schlüpfte Domenic aus seinem Versteck und schlich auf Zehenspitzen weiter. Als er an der großen Tür zur Küche vorbeikroch, hörte er die Köchin über einen Helfer fluchen, der sich mit den Törtchen zum Nachtisch dumm angestellt hatte. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Er hätte etwas essen sollen, bevor er aufbrach. Vielleicht bekam er an einem Essenstand etwas. Er hatte schon öfter an einem gegessen, aber nicht annähernd so oft, wie er es gern getan hätte, denn er fand den Geschmack des Essens von der Straße viel interessanter als den der Gerichte, die in der Burg serviert wurden. Hatte er überhaupt Münzen dabei? Ja, in seinem Gurtbeutel fanden sich ein paar.
Trotz der abendlichen Kühle stand die Tür zu der Gasse, die an der Küche vorbei zur Bäckerei führte, einen Spalt offen. Er huschte hinaus in die Düsternis und wurde mit jeder Sekunde aufgeregter. War das der Grund, warum Rhodri all diese ungezogenen Dinge tat? Was für ein Dummkopf er doch gewesen war, seinem kleinen Bruder allein den ganzen Spaß zu lassen!
Die Wärme, die von der Wand der Bäckerei abstrahlte, war angenehm, und es tat ihm fast Leid, als er an ihr vorüber war.
Er schlug die Kapuze seines Mantels hoch und ging ruhig an der Kaserne vorbei, in der die Wachleute wohnten, wobei er darum betete, dass ihm keiner von ihnen begegnete. An den Geräuschen erkannte er, dass die Gardisten, die gerade frei hatten, ihr Abendessen einnahmen. Es war ein freundlicher, ausgelassener Klang, und er dachte daran, wie sehr er es stets genoss, mit ihnen zu essen. Sie zeigten bei Tisch keine Ehrerbietung, sondern behandelten ihn wie jeden anderen jungen Mann: Reich doch mal die Schale, junger Freund.
Schließlich gelangte er in eine schmale Straße und wandte sich nach rechts. Sie war menschenleer, aber die Häuser zu beiden Seiten waren beleuchtet, und gelegentlich hörte er Stimmen. Nach einigen Minuten
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