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Der Sohn des Wolfs

Der Sohn des Wolfs

Titel: Der Sohn des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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hörte und der Norden Macht über die Herzen der Menschen gewann, sprang auch Carter Weatherbee von seinem sicheren Kontorbock, ließ die Hälfte seines ersparten Geldes seiner Frau und verbrauchte den Rest für seine Ausrüstung. Seine Natur war nicht auf Romantik gerichtet – die hatte die Plackerei des Kontorlebens ihm ausgetrieben. Er war einfach der ewigen Tretmühle müde und wollte in der Hoffnung auf entsprechenden Gewinn einen großen Einsatz wagen. Wie so viele andere Narren verachtete er die alten Wege, die die Nordlandspioniere seit zwanzig Jahren gebahnt hatten, und eilte zu Frühlingsanfang nach Edmonton; und dort schloß er sich, zum Unglück für seine Seele, einer Gesellschaft von Männern an.
    Es war nichts Ungewöhnliches an dieser Gesellschaft außer ihrem Plan. Sogar ihr Ziel war das aller andern Gesellschaften, nämlich Klondike. Aber die Route, die sie auf der Karte abgesteckt hatten, um dieses Ziel zu erreichen, ließ selbst den kühnsten in der treulosen Unbeständigkeit des Nordens Geborenen und Aufgewachsenen nach Luft schnappen. Ja, selbst Jacques Baptiste, der Sohn einer Chippewa-Frau und eines französischen Voyageurs, der sich hierher verirrt hatte, selbst Jacques Baptiste, dessen erstes Wimmern in einem Rentierfell nördlich vom fünfundsechzigsten Breitengrad ertönt war und durch einen prachtvollen Lutschbeutel aus rohem Talg gestillt worden, war verblüfft. Obwohl er ihnen seine Dienste verkaufte und sich verpflichtete, wenn es sein sollte, ins ewige Eis zu ziehen, schüttelte er doch unheilverkündend den Kopf, als man ihn um Rat fragte.
    Percy Cuthferts böser Stern muß im Aufgehen gewesen sein, denn auch er schloß sich der Gesellschaft dieser Argonauten an. Er war ein Durchschnittsmensch, dessen Bankkonto ebenso groß wie seine Kultur war, was allerhand sagen wollte. Er hatte nicht den geringsten Grund, sich auf ein solches Wagestück einzulassen – keinen andern Grund, als daß er an einer anormal entwickelten Sentimentalität litt. Er verwechselte diese Geschichte mit Abenteuerlust und wirklich romantischem Geist. Mancher andere hat dasselbe getan und damit einen verhängnisvollen Irrtum begangen.
    Die erste Frühlingsschmelze fand die Gesellschaft auf dem Elchfluß, dessen Eisbruch sie folgte. Es war eine imposante Flotte, denn ihre Ausrüstung war bedeutend, und sie wurde von einer Anzahl zerlumpter, halbblütiger Voyageurs mit Weib und Kind begleitet. Tag für Tag rackerten sie sich mit Booten und Kanus ab, schlugen sich mit Moskitos und ähnlichen Landplagen oder schwitzten und fluchten über die Stromschnellen.
    Derlei schwere Arbeit zeigt, was in einem Manne steckt, und ehe man den Athabasca-See im Süden aus den Augen verlor, hatte jedes Mitglied der Gesellschaft Farbe bekannt.
    Carter Weatherbee und Percy Cuthfert waren Drückeberger und murrten ewig. Alle übrigen zusammen beklagten sich nicht soviel über ihre Anstrengungen und Mühen wie jeder einzelne von diesen beiden. Nicht ein einziges Mal meldeten sie sich freiwillig zu den tausend kleinen Pflichten im Lager. Sollte ein Eimer Wasser geholt, eine Extratracht Brennholz geschlagen, Teller aufgewaschen, das Gepäck nach irgend etwas durchsucht werden, das man brauchte – sofort entdeckten diese kraftlosen Schößlinge der Zivilisation Schrammen und Gebrechen, die augenblickliche Schonung erforderten. Sie waren die ersten, die abends in den Schlafsack krochen, obwohl noch eine Masse Arbeit zu verrichten war, sie waren die letzten, die morgens aufstanden, wenn man sich vor dem Frühstück zum Aufbruch bereitmachen sollte. Sie waren die ersten bei der Mahlzeit und die letzten, die bei der Zubereitung der Mahlzeit Zugriffen; die ersten, die sich einen leckeren Bissen sicherten, die letzten, die merkten, daß sie sich an der Ration eines andern vergriffen hatten. Wenn sie ruderten, schwitzten sie bei jedem Schlag oder ließen ihre Riemen durch die Bewegung des Bootes treiben. Sie glaubten, daß niemand es bemerkte, aber ihre Kameraden fluchten leise und haßten sie schließlich, während Jacques Baptiste offen höhnte und sie von morgens bis abends verfluchte. Aber Jacques Baptiste war nun eben mal kein Gentleman.
    Am Großen Sklavensee kaufte man Hudson-Bai-Hunde, und die vermehrte Flotte sank unter der Last von Dörrfisch und Pemmikan bis an die Reling ein. Dann folgten Kanus und Boote der schnellen Strömung des Mackenzie, und man gelangte zum Großen-Barren-Grund. Jeder Wassergraben, der auch nur die geringste

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