Der Sohn des Wolfs
wenn ich’s tue.«
Man hörte halbersticktes Lachen und sah versteckte lustige Blicke unter reifbedeckten Brauen, als die Männer das eisglatte Ufer hinaufkletterten und den Weg zum Posthaus zurückwanderten.
Aber das langgezogene Geheul war näher gekommen und erklang drohender. Eine Frau schrie hinter der Ecke. Man hörte Rufe: »Er kommt!« Dann stürzte ein Indianerknabe zwischen sie. Er wurde von einem halben Dutzend vor Angst wahnsinniger Hunde verfolgt, es galt das Leben. Und hinterher kam Gelbmaul, eine graue Erscheinung mit gesträubtem Haar. Alle flohen. Der Indianerjunge war gestolpert und hingefallen. Bettles blieb gerade so lange stehen, um ihn an seiner Pelzjacke zu packen, und stürzte dann zu einem Stapel Brennholz, auf dem bereits mehrere seiner Kameraden Zuflucht gesucht hatten. Gelbmaul, der hinter den Hunden hergewesen war, kam jetzt in vollem Lauf zurück. Der verfolgte Hund, dem nichts fehlte, der aber vor Angst wahnsinnig war, warf Bettles um und schoß die Straße hinauf. Malemute Kid sandte aufs Geratewohl eine Kugel hinter Gelbmaul her. Der tolle Hund schlug einen Salto-mortale, fiel auf den Rücken und legte mit einem einzigen Sprung die Hälfte der Entfernung zurück, die ihn noch von Bettles trennte. Aber der Hund erreichte sein Ziel nicht. Lon McFane sprang vom Brennholzstapel herunter und packte das Tier im Sprunge. Sie rollten zu Boden, und Lon hielt den Hund mit einem Griff an der Kehle auf Armeslänge von sich ab, halb geblendet von dem stinkenden Schaum, der ihm ins Gesicht spritzte. Da entschied Bettles, kaltblütig den rechten Augenblick abwartend, den Kampf mit dem Revolver.
»Das war ehrliches Spiel, Kid«, bemerkte Lon, indem er sich erhob und den Schnee aus dem Ärmel schüttelte, »mit anständigem Verdienst für den Verkäufer.«
Am Abend, während Lon McFane die Verzeihung der Kirche in Vater Roubeaus Hütte suchte, sprachen Malemute Kid und der Grindige Mackenzie lange vertraut miteinander.
»Aber hättest du es wirklich getan«, fragte Mackenzie immer wieder, »wenn sie sich duelliert hätten?«
»Habe ich je mein Wort gebrochen?«
»Nein, aber davon reden wir nicht. Antworte mir auf meine Frage. Hättest du es getan?«
Malemute Kid richtete sich auf. »Mack, das habe ich mich selbst die ganze Zeit gefragt, und – «
»Nun?«
»Noch habe ich die Antwort nicht gefunden.«
In Fernem Lande
Wenn man in einem fernen Lande reist, muß man sich darauf vorbereiten, viel von dem zu vergessen, was man gelernt hat, und Gewohnheiten anzunehmen, die zu den Verhältnissen in dem neuen Lande passen; man muß alte Ideale und alte Götter aufgeben und oft selbst die grundlegenden Gesetze, die einem bisher bestimmend für das Leben gewesen sind, umstürzen. Wer eine proteus-artige Anpassungsfähigkeit besitzt, den mag eine solche Veränderung vielleicht sogar befriedigen, wer aber tief in dem Boden wurzelt, dem er entsprossen ist, kann den Druck der veränderten Umgebung nicht ertragen, und Körper und Seele empören sich gegen die neuen Gesetze, die sie nicht verstehen. Diese Empörung äußert sich in vielerlei, erzeugt Böses und verursacht Unglück. Wer sich nicht in die neuen Verhältnisse finden kann, kehrt besser in sein eigenes Land zurück. Zaudert er zu lange, so wird er sicher sterben.
Der Mann, der den Gütern einer alten Zivilisation den Rücken kehrt und in die wilde, primitive Einfachheit des Nordens zieht, kann seine Aussicht auf Erfolg vorausberechnen, denn sie steht im umgekehrten Verhältnis zu der Zahl seiner hoffnungslos eingewurzelten Gewohnheiten. Der rechte Mann wird bald entdecken, daß die materiellen Gewohnheiten die geringste Rolle zur Erhaltung des Lebens spielen. Ein feines Mittagessen mit einfacher Kost, steife Lederschuhe mit weichen, formlosen Mokassins, warme Kissen mit einem Lager im Schnee zu vertauschen, ist schließlich eine Kleinigkeit. Die Feuerprobe kommt erst, wenn man im Ernst das rechte Verhältnis zu allen Dingen und namentlich zu seinen Mitmenschen lernen soll. Die kleinen Höflichkeiten des täglichen Lebens soll er jetzt durch Uneigennutz, Nachsicht und Geduld ersetzen.
So – nur so kann er sich den köstlichen Schatz treuer Kameradschaft erwerben. Er soll nicht »Danke sehr« sagen; er soll es fühlen, ohne den Mund zu öffnen, und es beweisen, indem er Vergeltung in Taten übt. Kurz, er soll Taten an Stelle des Wortes, Geist an Stelle des Buchstaben setzen.
Als man in der ganzen Welt vom arktischen Golde
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