Der Sohn des Wolfs
sieh selber.«
»Es wird wohl stimmen. Er ist natürlich auch angesteckt. Gelbmaul kam heute morgen zurück, biß ihn und hätte mich dabei fast zum Witwer gemacht. Er ging auf Zarinska los, aber sie schlug ihm den Rock um die Ohren und entwischte ihm durch einen tüchtigen Lauf im Schnee. Da rannte er wieder in den Wald. Ich hoffe, er kommt nicht wieder. Hast du selbst welche verloren?«
»Einen – den besten vom Gespann – Shookum. Lief heute morgen Amok. Kam aber nicht weit. Rannte in Sitka Charleys Gespann hinein und wurde vollkommen zerfetzt. Und jetzt sind zwei von seinen Hunden gebissen und toll geworden, so daß Shookum schließlich kriegte, was er wollte. Die Hunde werden knapp zum Frühling, wenn wir nicht etwas tun.«
»Die Männer werden auch knapp.«
»Wieso? Was ist denn nun wieder los?«
»Ach, Bettles und Lon McFane sind sich in die Haare geraten, und in ein paar Minuten werden sie die Geschichte am Wasserloch ausmachen.«
Der Fall wurde wiederum berichtet, und Malemute Kid, der gewohnt war, daß seine Kameraden ihm gehorchten, übernahm es, die Sache in Ordnung zu bringen. Er erklärte seinen Plan, und sie versprachen, ihm unbedingt zu folgen.
»Wie ihr seht«, lauteten seine letzten Worte, »nehmen wir ihnen nicht ihr Recht, sich zu schlagen, aber ich glaube doch, daß sie es nicht tun werden, wenn ihnen meine Absicht aufgeht. Das Leben ist ein Spiel, und Menschen sind die Spieler. Sie setzen ihren ganzen Besitz auf eine Chance gegen tausend. Nehmt ihnen aber diese Chance, und – sie spielen nicht mehr.«
Er wandte sich zu den Männern, die die Aufsicht über die Vorräte hatten.
»Mann, miß uns drei Faden von deinem besten halbzölligen Manilaseil ab.«
»Wir wollen den Männern von Forty Mile eine Lehre erteilen, die sie nie vergessen werden«, prophezeite er.
Dann wickelte er das Seil um den Arm und folgte seinen Kameraden zur Tür hinaus, gerade rechtzeitig, um die Hauptpersonen zu treffen.
»Was plagte ihn der Teufel, meine Frau hineinzumischen?« donnerte Bettles einen Freund an, der den Versuch machte, ihn zu beruhigen. »Was hatte das mit der Sache zu tun?« schloß er nachdrücklich. »Was hatte das mit der Sache zu tun?« wiederholte er immer wieder, während er auf und ab wanderte und auf Lon McFane wartete.
Und Lon McFane: mit glühendem Gesicht und ungeheurer Zungenfertigkeit trotzte er der Kirche direkt ins Gesicht.
»Lieber lasse ich mich in feurigen Decken auf ein Bett von glühenden Kohlen legen, Vater«, schrie er, »als daß es heißen soll, Lon McFane hätte eine Lüge eingesteckt, ohne zu mucksen. Ich bitte auch nicht um einen Segen. Wohl hab’ ich ein wildes Leben geführt, aber das Herz saß stets am rechten Fleck.«
»Aber es ist gar nicht dein Herz, Lon«, unterbrach Vater Roubeau ihn, »es ist dein Stolz, der dich dazu bringt, einen Mitmenschen zu töten.«
»Ihr seid Franzose«, antwortete Lon. Und indem er sich zum Gehen wandte, sagte er: »Wenn das Glück gegen mich ist, lesen Sie wohl eine Messe für mich?«
Aber der Priester lächelte, schnallte sich die Mokassins fester und ging auf den weißen schweigenden Fluß hinaus.
Ein festgetretener, sechzehn Zoll breiter Pfad führte zum Wasserloch. Zu beiden Seiten lag tiefer Schnee. Die Männer gingen im Gänsemarsch und in tiefstem Schweigen, und der schwarzröckige Priester verlieh allem ein feierliches Begräbnisgepräge.
Für die Verhältnisse von Forty Mile war es ein warmer Wintertag – einer der Tage, an denen sich der Himmel bleischwer tiefer auf die Erde senkt und das Quecksilber die ungewohnte Höhe von 20 Grad Fahrenheit unter Null erreicht. Aber die Wärme war nicht angenehm. Die Luft war dick, und die Wolken hingen unbeweglich herab und prophezeiten finster baldigen Schnee. Die Erde lag wohlverwahrt im Winterschlaf und dachte nicht ans Erwachen.
Als sie das Wasserloch erreicht hatten, rief Bettles, der während der stummen Wanderung offenbar den ganzen Streit noch einmal überdacht hatte, ein letztes: »Was hatte das mit der Sache zu tun?«, während Lon McFane in seinem finstern Schweigen verharrte. Die Wut drohte ihn zu ersticken, und er konnte kein Wort herausbringen. Und doch, wenn sie einen Augenblick nicht an die ihnen zugefügte Kränkung dachten, konnten sie nicht umhin, sich über ihre Kameraden zu wundern. Sie hatten Widerstand erwartet, und diese stumme Nachgiebigkeit verletzte sie. Sie meinten, Besseres von den Männern verdient zu haben, die ihnen so nahegestanden, ein
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