Der Sohn (German Edition)
Endlich, dachte ich in meinem Badezimmer. Gut so, weine, weine ruhig, mein Liebes.
»Dieser Arsch hatte einen Amsterdamer Akzent. Der andere war garantiert Ausländer, der hörte sich irgendwie afrikanisch an. Er hat mit seinem Handy telefoniert und total nervös gesagt, dass sie jetzt bei dieser Puppe sind. Damit war wohl ich gemeint. Und dann sagte er noch so was wie: Okay, okay, okay, ja, ja, ja, Dach. Und es war immer noch stockfinster, ich konnte überhaupt nichts sehen!
Dann haben sie mich zum Schlafzimmer von Papa und Mama geschubst. Auf dem Flur war etwas Licht aus dem Badezimmer, und da hab ich gesehen, dass sie solche Sturmhauben aufhatten. Du weißt ja, dass der Flur ganz schön lang ist, mit ziemlich vielen Türen, und dieser Amsterdamer Arsch mit seiner Stinkhand hat da so richtig durch die Zähne gepfiffen: Jungejunge, nicht schlecht, der Kasten!
Der andere war supernervös, das konnte ich hören, der hat richtig gehechelt, vor allem, als wir vor der Schlafzimmertür standen, da war er unheimlich hibbelig. Na ja, was bei Papa und Mama passiert ist, weißt du ja, dass ich sie geweckt hab und Papa den einen so angemacht hat, dass dieser nervöse Typ auf ihn geschossen hat. Wie im Film, nur viel schrecklicher und unordentlicher und ohne Musik, und Papa hat ganz schlimm gejault. Das höre ich jetzt noch jede Nacht, wie Papa vor Angst und Schmerzen jault. Dann könnte ich schreien. Ich hatte in dem Moment das Gefühl, die Welt geht unter und alles ist aus und vorbei und umsonst gewesen. Alles von früher, alle Ferien, alles, was sonst ganz normal gewesen ist. In dem Moment hab ich sogar vermisst, dass Papa böse auf mich ist, wie das eine Mal, als ich die ganze Nacht aufgeblieben war, weißt du noch? Das war alles so zum Heulen, und Papa und Mama sahen so verwirrt und verschlafen aus und lieb – und bange. Und da hat der Typ noch mal geschossen, auf Mama! Und er hat sie nur um ein Haar nicht getroffen!«
Tess weinte jetzt richtig. Ich hörte, dass Mitch ihr zuredete, tröstend wahrscheinlich. Nach einer Weile fuhr Tess fort.
»Dann musste ich mit diesem Amsterdamer nach oben. Die Treppe raufgeschoben hat er mich schon eher. Ich hatte inzwischen natürlich solche Angst und war so fertig, weil sie auf Papa geschossen hatten, dass ich fast nicht mehr laufen konnte. Der Arsch hatte mir die Hände auf dem Rücken zusammengebunden, und daran hat er mich festgehalten und mir immer mit dem Knie in die Kniekehlen gestoßen, so dass ich fast gefallen bin, weißt du. Als wir ganz oben waren, hat er die Flurtür hinter uns zugemacht. Das war total gruselig. Da ist man dann echt abgeschottet vom übrigen Haus. Er hat mich ins rechte Gästezimmer geschubst, und du glaubst es nicht, da stand noch ein Mann! Ziemlich groß und auch mit so ’ner blöden Mütze über Kopf und Gesicht. Er hatte ein Seil in der Hand, und ich war hundertprozentig überzeugt, echt, Mitch, dass er mir das um den Hals legen und zuziehen würde. Der stand da wie ein Henker. Ich bin völlig durchgedreht.«
Ich konnte nur schwer hören, was Mitch darauf sagte, er saß offenbar etwas weiter von der Wand entfernt. Irgendso etwas wie Ach du Scheiße und Fuck, Tessje. Und: Und dann?
»Der Amsterdamer hat mich auf einem Stuhl festgebunden, während dieser gruselige Typ zuguckte – die ganze Zeit mit dem Seil in der Hand. Weil ich solche Angst hatte, dass er mich abmurksen würde, hab ich wie wild um mich getreten. Das hat diesen Amsterdamer fuchsig gemacht, und er wurde total grob, es hat echt verdammt weh getan, wie der an meinen Armen gezogen und mich an diesen Stuhl gefesselt hat. Aber als er mir eine runterhauen wollte, hat dieser gruselige Typ gesagt: Lass, die knöpfe ich mir vor. Und da hat der Amsterdamer ganz widerlich gelacht und ist gegangen. Mit diesem gruseligen Typ allein zu sein, war noch viel schlimmer. Da hatte ich echt solche Angst, dass ich mir fast in die Hose gemacht hab. Was machte der hier? Was wollte der von mir? Warum?
Na, das war schnell klar. In so ’nem total fiesen, drohenden Ton hat er was gesagt wie: So, da hätten wir ja das Töchterlein. Als hätte er nur auf mich gewartet. Ich hab natürlich weiter um mich getreten, wofür hab ich schließlich den braunen Gürtel, aber er war viel größer, und ich war gefesselt. Zuerst hat er mich knallhart geschlagen, mit diesem Seil, auf die Beine, dann hat er mit der einen Hand meine Pyjamajacke aufgerissen und mir mit der anderen den Kopf nach hinten gezogen, an den Haaren,
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