Der Sohn (German Edition)
so dass ich nichts mehr machen konnte. Ich saß praktisch halbnackt da. Und dann fing er an zu stöhnen und zu keuchen und so, total eklig, und hat meine Duweißtschon begrapscht. Und ich war festgebunden, mit den Händen am Stuhl, ich konnte mich überhaupt nicht wehren. Dieses Gefühl, als er mich begrapscht hat, das war, wie wenn einer mit dem letzten Stückchen Kreide, schon halb mit dem Fingernagel über die Tafel kratzt, so hat sich das angefühlt, von außen und von innen. Als wäre mein Körper die Tafel und seine grässlichen Finger die Kreide.«
Jetzt blieb es eine Weile still. Mitch wartete wahrscheinlich ab. Ich konnte ihn förmlich vor mir sehen, die Fäuste geballt, die Zähne zusammengebissen vor Wut – genau wie ich. Dann fragte er offenbar etwas, denn Tess schrie plötzlich.
»Nein! Das war nicht alles, nein! Er hat mir auch in die Hose gefasst und in mir rumgefingert, das war die schlimmste, spitzeste Kreide, die Finger in mir drin. Diese dreckigen Finger! Und ich konnte nichts machen, ich konnte nur treten und versuchen zu schreien – aber das konnte ja sowieso niemand hören.«
Hierauf sagte Mitch wieder irgendetwas.
»Sei still! Halt den Mund!«, schrie Tess. »Was er gemacht hat? Er redete, er stöhnte immer mehr und sagte die ganze Zeit all solche Sachen. Das fand ich fast noch am schlimmsten.«
Ich hörte Mitch fragen: »Was hat er denn gesagt? Sag schon, was hat er gesagt?« Ich hörte Tess tief Luft holen.
»Er sagte, was er im Wald mit Mama gemacht hat – weißt du noch, dass sie sagte, sie ist angefahren worden und hingefallen, als das mit dem Knöchel passiert war? Das stimmt gar nicht! Er war dabei! Sie ist gar nicht angefahren worden. Da ist was ganz anderes passiert! Das hat Mama nur nie erzählt. Er sagte, dass er ihr die Flötentöne beigebracht hat, da im Wald, weil sie unverschämt war. Über ihren Körper ist er hergezogen, von Fotze und so hat er geredet. Er behauptete, dass er sie vergewaltigt hat und dass… dass ihr das Spaß gemacht hat. Es war so schrecklich, Mitch. So ekelhaft, so gemein! Dass sie nicht so gut geduftet hätte wie ich, hat er gesagt, und dass er sie dreimal hergenommen hätte und so. Und während er das alles sagte, hat er in mir rumgegraben… und er hat… er…«
Ich konnte sie nicht mehr richtig verstehen. Es ging wohl um weitere Dinge, die er über mich gesagt hatte.
»Er sagte auch noch ganz gruselige Sachen, die ich ihm sofort abgenommen hab, weil man solche Gemeinheiten nur sagen kann, wenn man auch so denkt. Dass er genug hat von unsereins, sagte er. Dass wir alle gleich sind, große Klappe, haufenweise Geld, große Häuser, eine eingebildete, aufgeblasene Sippschaft, und dass es eine Schande ist und ein Verbrechen an der Menschheit, dass man uns nicht allesamt ausgerottet hat, jeden Einzelnen von uns. Aber wenn’s nach ihm ginge… Ich wusste zuerst gar nicht, wovon er redet, was er damit meint, aber du bestimmt, Mitch, du weißt bestimmt, wovon er geredet hat. Er…«
»Warum hast du denn bloß nichts davon gesagt, Mensch, zur Polizei oder zu Mama?«, hörte ich Mitch fragen. Tess schluchzte wieder. »Nein!«, hörte ich sie wimmern. »Neeeiiin!« Mitch fragte aber noch mal, drängender: »Tess, bitte!« Und daraufhin brach es aus Tess heraus, wütend, als müsse sie sich rechtfertigen.
»Das geht doch nicht! Er hat Mama doch ganz genau beschrieben, das hab ich doch gesagt! Und er sagte, wie sehr er uns hasst, und er wusste alle Namen, Opa und Oma kannte er, Tara, dich, Papa.«
»Aber das hättest du doch sagen können!«
»Nein, das geht nicht, echt nicht. Er hat gesagt, dass er, wenn ich der Polizei oder sonst wem irgendwas sage, dass er dann Papa und Mama erschießt und nichts mehr von ihnen übriglässt, er sagte: Ich schieß den dicken Wanst von deinem Papa in Fetzen, und ich stech die… Nein, das kann ich nicht sagen, das ist zu schlimm, das ist zu schrecklich…
Er ist dann weggegangen. Ich hatte auch Gepolter auf der Treppe gehört. Da haben sie wohl Mama nach oben gebracht, die wurde im anderen Gästezimmer gefesselt. Aber zu ihr ist er nicht gegangen, das weiß ich inzwischen. Er hat sich einfach mucksmäuschenstill verdrückt, ich hab ihn nicht mehr gehört. Außer mir weiß also keiner, dass er dabei war. Ich sage nichts, ich habe nichts gesagt, ich werde nichts sagen. Er meint es ernst, Mitch, er hat das nicht nur einfach so gesagt. Er bringt Papa und Mama um, er bringt mich um, dich, Oma, Tara.«
»Aber sein
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