Der Sokrates-Club
gerecht, wenn Angehörige von Minderheiten bevorzugt werden, auch wenn ihre Leistungen geringer sind, um Gleichheit zu realisieren?
Wie immer man diese und ähnliche Fragen beantwortet: Im Zentrum der politischen Gerechtigkeit steht die Idee der Gleichheit als Bürger eines Staates. Zu dieser Gleichheit gehört die Gleichheit vor dem Gesetz, gehört das gleiche aktive und passive Wahlrecht, aber auch die gleichen Beteiligungschancen aller Bürgerinnen und Bürger, was zum Beispiel voraussetzt, dass der Staat für entsprechende, allgemein zugängliche Bildungsangebote sorgt und verhindert, dass einzelne Gruppen der Bevölkerung aufgrund ihrer sozio-ökonomischen Lage an den Rand gedrängt werden, sich am kulturellen, sozialen und politischen Leben der Gemeinschaft nicht mehr beteiligen. Dieses Postulat politischer Gerechtigkeit kann man als das der demokratischen Gleichheit bezeichnen. Bei allen Unterschieden an Begabung, Bildung, Einkommen und Vermögen sollten die Bürgerinnen und Bürger gleichen Respekt erfahren und gleiche politische Partizipationschancen haben.
Kompensation »natürlicher« Ungleichheiten
Ein besonderes Problem für die Gerechtigkeit stellt die Lotterie der Natur und der Herkunft dar. Menschen werden mit ungleichen Anlagen geboren, und sie wachsen unter ungleichen Bedingungen auf. Ist es ein Gebot der Gerechtigkeit, dass diese » Lotterie der Natur« durch Gesetzgebung und Politik ausgeglichen wird? Der Leistungssport bietet dazu interessantes Anschauungsmaterial. In den meisten Disziplinen konkurrieren Männer nicht mit Frauen, da diese sonst wenige Chancen hätten. Ebenso wird bei der Nachwuchsförderung auf das Alter geachtet, um Chancengleichheit herzustellen. Im Behindertensport wird nach unterschiedlichen Schweregraden der Behinderung eingeteilt etc. Dennoch würde es geradezu bizarr anmuten, wenn die Gesellschaft die Bemühung unternähme, alle Benachteiligungen zu kompensieren. Wenn es stimmt, das groß gewachsene und gut aussehende Menschen Vorteile in der Konkurrenz um Positionen und Partnerwahl haben, müsste dann kleineren und weniger gut aussehenden Menschen eine Ausgleichszahlung oder andere kompensatorische Maßnahmen eingeräumt werden? Oder sollte man Kindern aus Einwandererfamilien einen Notenbonus geben? Am Ende würden nur diejenigen Ungleichheiten als gerecht gelten, die Ergebnis unterschiedlicher Anstrengungen, unterschiedlichen Engagements und Einsatzes sind. Aber ließe sich nicht auch im Hinblick auf die eigene Leistungsbereitschaft sagen, dass diese von der Lotterie der Natur und der sozialen Herkunft beeinflusst ist?
»Ein Mensch kann doch nicht gekauft werden wie ein Stück Brokkoli! … Weil er nur sich selber gehört!«
Ein libertärer Ansatz
Einem überzogenen Egalitarismus, einer übermäßigen Betonung von Gleichheit, wie er etwa von Ronald Dworkin vertreten wird, steht der libertäre Ansatz eines Robert Nozicks entgegen. Demnach gilt das Prinzip, dass jeder Mensch Eigentümer seiner selbst ist. Jeder hat das Recht, über seinen Körper, seine geistigen Fähigkeiten und Anlagen nach eigenem Gutdünken zu verfügen ( self-ownership ). Entsprechend kommt jedem das Recht zu, die Vorzüge der eigenen Leistungsfähigkeit zu genießen. Umverteilungen, um ein höheres Maß an Gleichheit zu sichern, wären demnach ungerecht.
Zwischen diesen beiden Extrempositionen des Egalitarismus und des Libertarismus stehen die sogenannten Non-Egalitarier. Sie sind der Meinung, dass die ganze Debatte um Gleichheit unbegründet ist, dass die Gerechtigkeit verlangt, allen gleichermaßen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, insbesondere die Menschenrechte für alle zu sichern. Es geht also um Unterstützung für diejenigen, die ohne Hilfe kein menschenwürdiges Leben realisieren können. Darüber hinaus gibt es keine Verpflichtung, für Gleichheit zu sorgen, ja, radikale Vertreter dieser Position meinen, dass Gleichheit keinen Wert an sich darstellt. Eine Vertreterin dieser Position ist beispielsweise Angelika Krebs.
Gerechtigkeitskonzeptionen, die das Gleichheitspostulat aufgeben, geraten allerdings in einen tiefen Konflikt mit den Rechtsnormen der Demokratie. Das Gleichbehandlungsgebot ist in demokratischen Institutionen tief verankert, und es ist ein zentrales Element der Demokratie, dass ihre Bürgerinnen und Bürger gleiche Rechte haben und nicht lediglich ein gleiches Minimum an Rechten.
»Also, wenn ein Eichhörnchen drei Nüsse bekommt und der Löwe fünfhundert,
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