Der Sommer, als ich schön wurde
dass er gar nicht zuhörte, sagte: »Ihr lügt doch. Das war nicht das Verrückteste, was ihr je gemacht habt.«
Susannah hob beide Hände, als wollte sie sagen: Ich ergebe mich . »Auch Mütter haben ihre Geheimnisse. Ich frage meine Söhne ja auch nicht nach ihren, oder?«
»Doch, das tust du«, widersprach Jeremiah. Er richtete die Gabel auf seine Mutter. »Dauernd fragst du. Wenn ich Tagebuch führte, würdest du es lesen.«
»Nein, würde ich nicht«, protestierte Susannah.
»Doch, würdest du«, sagte meine Mutter.
Susannah funkelte meine Mutter an. »Niemals.« Dann sah sie Conrad und Jeremiah an, die nebeneinander saßen. »Gut, vielleicht, aber nur Conrads. Er ist so ein Geheimniskrämer, der nichts rauslässt. Nie weiß ich, was er denkt. Aber nicht du, Jeremiah. Du, mein Kleiner, trägst dein Herz hier«, und zeigte auf ihre Zungenspitze.
»Stimmt doch gar nicht«, widersprach er und spießte eine Muschel auf. »Ich habe auch meine Geheimnisse.«
Das war Taylors Moment: »Davon bin ich überzeugt, Jeremy.« Es war ekelhaft, wie sie mit ihm flirtete.
Jeremiah grinste sie an, und mir wäre fast ein Stück Spargel im Hals stecken geblieben.
Schnell sagte ich: »Taylor und ich wollen heute Abend zur Promenade. Kann einer von euch Jungs uns absetzen?«
Bevor meine Mutter oder Susannah noch antworten konnten, sagte Jeremiah: »Zur Promenade? Da gehen wir doch gleich mit. Was meint ihr, Jungs?«, fragte er mit Blick auf Conrad und Steven. Normalerweise wäre ich ganz begeistert gewesen, wenn einer von ihnen dasselbe Ziel gehabt hätte wie ich, aber nicht dieses Mal. Ich wusste, es hatte nichts mit mir zu tun.
Ich schaute zu Taylor hinüber, die plötzlich emsig damit beschäftigt war, ihre Muscheln in winzig kleine Häppchen zu zerschneiden. Sie wusste auch, dass es um sie ging.
»Die Promenade ist blöd«, sagte Steven.
»Kein Interesse«, sagte Conrad.
»Hat euch denn jemand eingeladen?«, fragte ich.
Steven rollte mit den Augen. »Zur Promenade braucht man keine Einladung. Man geht einfach hin. Wir leben in einem freien Land.«
»Ist es das wirklich, ein freies Land?«, fragte meine Mutter nachdenklich. »Denk noch mal nach über das, was du da gesagt hast, Steve. Was ist mit unseren bürgerlichen Freiheiten? Sind wir tatsächlich frei, wenn –«
»Laurel, bitte.« Susannah schüttelte den Kopf. »Politik ist kein Thema bei Tisch.«
»Ich kenne keine bessere Gelegenheit für politische Diskussionen«, sagte meine Mutter ganz ruhig. Dann sah sie zu mir herüber. Hör auf, bitte , sagte ich lautlos, und sie seufzte. Es war besser, sie zu bremsen, bevor sie richtig loslegte. »Also schön, keine Politik. Ich will in die Stadt, zur Buchhandlung. Ich kann euch auf dem Weg absetzen.«
»Danke, Mom«, sagte ich. »Taylor und ich gehen alleine.«
Jeremiah überhörte meine Bemerkung und versuchte noch einmal, Steven und Conrad zu überreden. »Kommt doch mit, Leute. Es wird bestimmt super.« Super – das hatte Taylor heute zu allem gesagt, seit sie da war.
»Schön, aber ich geh in die Spielhalle«, sagte Steven.
»Con?« Jeremiah sah Conrad an, doch der schüttelte den Kopf.
»Mensch, Con«, sagte Taylor und stupste ihn mit ihrer Gabel an. »Komm doch mit!«
Er schüttelte den Kopf, und Taylor verzog das Gesicht. »Na schön. Wir haben bestimmt auch ohne dich jede Menge Spaß.«
»Mach dir um den keine Sorgen«, sagte Jeremiah. »Der vergnügt sich mit der Encyclopaedia Britannica.« Conrad beachtete ihn gar nicht, aber Taylor kicherte und strich sich die Haare hinter die Ohren. Daran merkte ich, dass sie sich jetzt auf Jeremiah verlegte.
»Vergesst nicht, Geld für Eis mitzunehmen«, sagte Susannah. Es machte sie glücklich, dass wir alle zusammen loszogen, bis auf Conrad, der sich diesen Sommer anscheinend lieber absonderte. Nichts machte Susannah glücklicher, als sich irgendwelche Aktivitäten für uns Kinder auszudenken. Ich glaube, als Leiterin eines Zeltlagers hätte sie sich wirklich toll gemacht.
Als wir im Auto saßen und auf meine Mutter und die Jungen warteten, flüsterte ich: »Ich dachte, du magst Conrad.«
Taylor verdrehte die Augen. »Bah, dieser Langweiler. Ich glaube, ich mag Jeremy lieber.«
»Er heißt Jeremiah «, sagte ich säuerlich.
»Das weiß ich doch.« Sie sah mich an und machte auf einmal große Augen. »Sag bloß, inzwischen magst du ihn?«
»Quatsch!«
Sie atmete genervt aus. »Belly, du musst dich für einen entscheiden. Du kannst nicht beide
Weitere Kostenlose Bücher