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Der Sommer, als ich schön wurde

Der Sommer, als ich schön wurde

Titel: Der Sommer, als ich schön wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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erinnerte er mich.
    »In eineinhalb Monaten«, verbesserte ich ihn missmutig. »Und übrigens verpasst du meinen Geburtstag.«
    »Du bekommst dein Geschenk, wenn wir uns zu Hause sehen.«
    »Das ist nicht dasselbe.« Ich wusste, dass mein Verhalten kindisch war, aber ich konnte nichts dagegen machen. »Schreibst du mir wenigstens eine Karte?«
    Steven zog den Reißverschluss seiner Reisetasche zu. »Dafür hab ich bestimmt keine Zeit, aber ’ne SMS kann ich dir schicken.«
    »Bringst du mir ein Sweatshirt aus Princeton mit?« Ich konnte es kaum erwarten, endlich einen College-Pulli zu tragen. Sie waren wie ein Abzeichen, das bewies, dass man kein Kind mehr war, sondern quasi, wenn nicht sogar tatsächlich im College-Alter. Ich wünschte mir eine ganze Schublade voll davon.
    »Wenn ich dran denke«, sagte mein Bruder.
    »Ich werde dich erinnern«, sagte ich. »Per SMS.«
    »Okay. Das wird dann dein Geburtstagsgeschenk.«
    »Abgemacht.« Ich ließ mich rücklings auf sein Bett fallen und lehnte die Füße an die Wand. Er konnte es nicht ausstehen, wenn ich das tat. »Ich glaube, ich werde dich vermissen, jedenfalls so ein kleines bisschen.«
    »Du wirst gar nicht merken, dass ich nicht da bin, so wie du damit beschäftigt bist, Conrad anzuschwärmen.«
    Ich streckte ihm die Zunge heraus.
    Früh am nächsten Morgen brach Steven tatsächlich auf. Conrad und Jeremiah sollten ihn zum Flughafen bringen. Ich ging nach unten, um mich zu verabschieden, und ich fragte erst gar nicht, ob sie mich mitnehmen würden – ich wusste, Steven würde es nicht wollen. Er wollte ein bisschen Zeit allein mit den beiden haben, und ausnahmsweise einmal zankte ich mich deswegen nicht mit ihm.
    Als er mich zum Abschied umarmte, sah er mich mit diesem herablassenden Blick an, der so typisch für ihn war – mit traurigen Augen und einem halb grinsenden Mund. »Mach keine Dummheiten, hörst du?«, sagte er bedeutungsvoll, so als wollte er mir etwas wirklich Wichtiges mitteilen, das ich verstehen müsste.
    Aber ich verstand nichts. »Mach du auch keine Dummheiten, Blödmann.«
    Er schüttelte seufzend den Kopf, so als wäre ich noch ein kleines Mädchen.
    Ich versuchte, es mir nicht zu Herzen zu nehmen. Schließlich fuhr er weg, und ohne ihn würde nichts so sein wie bisher. Da musste es wenigstens zum Schluss nicht noch kleinliches Gezänk geben. »Sag Daddy einen schönen Gruß von mir«, sagte ich.
    Ich ging nicht sofort wieder ins Bett. Stattdessen blieb ich noch eine Weile auf der Veranda vorm Haus, fühlte mich einsam und ein bisschen weinerlich. Steven gegenüber hätte ich das natürlich nie zugegeben.
    In vielerlei Hinsicht kam dieser Sommer mir wie der letzte vor. Diesen Herbst würde Conrad aufs College kommen. Er hatte sich für Brown entschieden. Gut möglich, dass er nächsten Sommer nicht hier sein würde. Vielleicht würde er ein Praktikum machen, Ferienkurse besuchen oder mit den neuen Freunden vom College eine Rucksacktour quer durch Europa unternehmen. Und Jeremiah würde vielleicht bei dem Footballcamp mitmachen, von dem er immer redete. So viel konnte passieren zwischen jetzt und dann. Und auf einmal kam mir der Gedanke, dass ich diesen Sommer gut nutzen sollte, für den Fall, dass es einen wie diesen nie mehr geben sollte. Schließlich wurde auch ich älter, bald würde ich sechzehn sein. Die Dinge konnten nicht für alle Zeit bleiben, wie sie waren.

20   
    mit elf
    Wir vier lagen auf einer großen Decke im Sand. Conrad, Steven, Jeremiah und ganz am Rand ich. Das war mein fester Platz. Wenn sie mich überhaupt mitkommen ließen. Dies war einer jener seltenen Tage.
    Es war mitten am Nachmittag und so heiß, dass meine Haare sich anfühlten, als stünden sie in Flammen. Die Jungen spielten Karten, und ich hörte ihnen zu.
    Jeremiah sagte: »Was wäre euch lieber – in Olivenöl gekocht zu werden oder mit einem glühend heißen Buttermesser lebendig gehäutet?«
    »Olivenöl«, sagte Conrad entschieden. »Dann ist es schneller vorbei.«
    »Olivenöl«, echote ich.
    »Buttermesser«, sagte Steven. »Dann kann ich den Spieß vielleicht noch umdrehen und den Typ selbst häuten.«
    »Diese Möglichkeit stand aber nicht zur Debatte«, erinnerte ihn Conrad. »Es ging ums Sterben, nicht darum, irgendwelche Spieße umzudrehen.«
    »Na schön, dann eben Olivenöl«, sagte Steven mürrisch. »Und du, Jeremiah?«
    »Olivenöl«, sagte Jeremiah. »Du bist dran, Con.«
    Conrad blinzelte in die Sonne und sagte: »Würdet ihr lieber

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