Der Sommer, als ich schön wurde
einen vollkommenen Tag immer wieder erleben oder ein Leben mit lauter Tagen, die ganz okay sind, aber ohne einen einzigen vollkommenen?«
Jeremiah schwieg eine Weile. Er liebte dieses Spiel. Er liebte es, sich über die verschiedenen Möglichkeiten Gedanken zu machen. »Bei diesem einen vollkommenen Tag – wüsste ich da, dass er eine Wiederholung ist, wie der Murmeltiertag?«
»Nein.«
»Dann nehme ich den perfekten Tag«, beschloss er.
»Also, vorausgesetzt, zum perfekten Tag gehört auch –« Stevens Blick fiel auf mich, und er brach ab. Ich hasste es, wenn er das tat. »Ich nehme auch den perfekten Tag.«
»Belly?« Conrad sah mich an. »Was würdest du dir aussuchen?«
Meine Gedanken drehen sich rasend schnell im Kreis, während ich versuchte, eine gute Antwort zu finden. »Ähm – ich nehme ein Leben mit lauter Tagen, die ganz okay sind. Auf die Weise könnte ich jedenfalls immer noch auf diesen einen vollkommenen Tag hoffen. Ein Leben aus lauter Wiederholungen eines einzigen perfekten Tages würde ich nicht wollen.«
»Ja, aber du wüsstest es ja nicht«, wandte Jeremiah ein.
Ich zuckte mit den Schultern. »Vielleicht doch, ganz tief drinnen.«
»Das ist doch Quatsch«, sagte Steven.
»Ich glaube nicht, dass das Quatsch ist. Da bin ich Bellys Meinung.« Conrad sah mich mit einem Blick an, wie sich vielleicht Soldaten ansehen, wenn sie sich gegen einen Gegner aufstellen. Es fühlte sich an, als bildeten wir ein Team.
Ich boxte Steven leicht in die Seite, das konnte ich mir nicht verkneifen. »Siehst du?«, sagte ich. »Conrad ist meiner Meinung.«
Steven äffte mich nach. »Conrad ist meiner Meinung. Conrad liebt mich. Conrad ist der Größte –«
»Halt die Klappe, Steven!«, brüllte ich.
Er grinste. »Ich bin dran mit einer Frage, Belly. Würdest du lieber jeden Tag Mayonnaise essen oder den Rest deines Lebens platt wie ein Brett bleiben?«
Ich rollte mich auf die Seite, nahm eine Handvoll Sand und warf sie Steven ins Gesicht. Und weil er so lachte, flog ihm die Ladung in den Mund und blieb an den feuchten Innenseiten der Wangen kleben. »Ich mach dich fertig, Belly!«, schrie er.
Er stürzte sich auf mich, aber ich konnte noch rechtzeitig wegrollen. »Lass mich in Ruhe«, sagte ich warnend. »Wenn du mir wehtust, sag ich’s Mom.«
Er packte mich grob am Bein, während er immer noch Sand ausspuckte. »Du bist so eine Nervensäge«, sagte er. »Ich schmeiß dich ins Wasser.«
Ich trat um mich und versuchte ihn abzuschütteln, schaffte aber nichts weiter, als ihm noch mehr Sand ins Gesicht zu wirbeln. Was ihn natürlich nur noch wütender machte.
»Lass sie los, Steven«, sagte Conrad. »Komm, gehen wir schwimmen.«
»Ja, los«, sagte Jeremiah.
Steven zögerte. »Na schön«, sagte er und spuckte noch einmal Sand aus. »Aber später bist du fällig, Belly!« Er zeigte auf mich und machte die Geste des Halsabschneidens.
Ich zeigte ihm den Finger und rollte wieder auf den Rücken, aber innerlich zitterte ich. Conrad hatte mich verteidigt. Conrad war es nicht egal, ob ich lebte oder nicht.
Steven war noch den ganzen Tag lang sauer auf mich, aber das war es wert. Außerdem war es irgendwie komisch, dass Steven mich ausgerechnet damit aufzog, dass ich keinen Busen hatte. Nur zwei Sommer später musste ich einen BH tragen, und zwar mit gutem Grund.
21
An dem Tag, an dem Steven abgereist war, ging ich abends zu meinem üblichen Mitternachtsschwimmen an den Pool. Conrad und Jeremiah und ein Typ aus der Nachbarschaft, Clay Bertolet, saßen auf der Terrasse und tranken Bier. Clay wohnte ein Stück weiter unten in der Straße, und er kam praktisch genauso lange wie wir schon nach Cousins Beach. Er war ein Jahr älter als Conrad. Keiner von den Jungen hatte ihn je besonders gemocht. Er war einfach jemand, mit dem sie manchmal rumhingen, nehme ich an.
Als ich ihn sah, erstarrte ich sofort und hielt mir mein Strandlaken fester an die Brust. Ich überlegte kurz, ob ich nicht umkehren sollte. Clay hatte mich immer schon nervös gemacht. Ich musste ja nicht unbedingt an diesem Abend schwimmen. Der nächste Abend war genauso gut. Aber dann dachte ich, nein – ich hatte ebenso viel Recht wie sie, da draußen zu sein. Wenn nicht sogar mehr.
Ich gab mich ganz locker und ging zu ihnen hinüber. »Hi, Jungs«, sagte ich. Mein Handtuch ließ ich an Ort und Stelle. Es war ein merkwürdiges Gefühl, so dazustehen mit nichts als Bikini und Handtuch, während die anderen alle angezogen waren.
Clay sah zu
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