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Der Sommer, als ich schön wurde

Der Sommer, als ich schön wurde

Titel: Der Sommer, als ich schön wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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haben.«
    »Das weiß ich auch«, fuhr ich sie an. »Und nur damit du’s weißt: Ich will keinen von beiden. Außerdem sehen die mich auch nicht so. Für die bin ich wie eine kleine Schwester, nicht anders als für Steven.«
    Taylor zupfte am Kragen meines T-Shirts. »Wie wär’s mit einem bisschen mehr Dekolleté?«
    Ich schnippte ihre Hand weg. »Ich hab keine Lust auf ein Dekolleté. Außerdem hab ich dir gesagt, dass ich keinen von beiden mag. Jedenfalls nicht mehr.«
    »Das heißt, du hast nichts dagegen, wenn ich mir Jeremy angle?«, fragte sie. Sie wollte für den Fall der Fälle ein gutes Gewissen haben, nur deshalb fragte sie überhaupt. Nicht, als ob Taylor je ein schlechtes Gewissen hätte.
    »Würdest du es lassen, wenn es mich störte?«
    Sie dachte vielleicht eine Sekunde nach. »Vermutlich. Wenn es dich ganz ehrlich störte. Aber dann wäre ich hinter Conrad her. Schließlich bin ich hier, um mich zu amüsieren, Belly.«
    Ich seufzte. Immerhin war sie ehrlich. Ich dachte, du wolltest dich mit mir amüsieren , hätte ich am liebsten gesagt. Aber ich ließ es bleiben.
    »Dann viel Glück«, sagte ich. »Mir ist es egal.«
    Taylor sah mich an und zog die Augenbrauen ein paarmal hoch, ihr typisches Erkennungszeichen. »Hey, klasse!«
    »Warte!« Ich packte sie am Handgelenk. »Versprich mir, dass du nett zu ihm bist.«
    »Na klar bin ich nett zu ihm. Ich bin immer nett.« Sie tätschelte mir die Schulter. »Was du dir immer für Sorgen machst, Belly. Ich hab dir doch gesagt, ich will einfach nur Spaß haben.«
    In dem Moment kamen meine Mutter und die Jungen aus dem Haus, und zum ersten Mal gab es keinen Streit darum, wer vorn sitzen durfte. Jeremiah überließ Steven klaglos den Beifahrersitz.
    Als wir an den Strand kamen, ging Steven sofort zur Spielhalle, wo er den ganzen Abend über blieb. Jeremiah lief mit uns herum und fuhr sogar Karussell, obwohl ich wusste, wie lahm er das fand. Er streckte sich auf dem Schlitten aus und tat so, als würde er ein Nickerchen machen, während Taylor und ich auf Pferden auf und ab hüpften, ich auf einem goldenen Palomino, sie auf einem schwarzen Hengst. ( Black Beauty war immer noch ihr Lieblingsbuch, auch wenn sie es nie zugeben würde.) Dann überredete Taylor Jeremiah, für sie beim Münzwerfen einen Plüsch-Tweety zu gewinnen, diesen Vogel aus dem Zeichentrickfilm. Jeremiah war absoluter Profi im Münzwerfen. Der Vogel war riesig, fast so groß wie Taylor selbst. Jeremiah trug ihn für sie.
    Ich hätte niemals mitgehen dürfen. Ich hätte vorher wissen können, wie der Abend verlaufen würde, sogar wie unsichtbar ich mich fühlen würde, hätte ich mir denken können. Die ganze Zeit wünschte ich, ich wäre zu Hause, würde Conrad durch die Wand Gitarre spielen hören oder mit Susannah und meiner Mutter Woody-Allen-Filme ansehen. Dabei mochte ich Woody Allen nicht mal. Ich fragte mich, ob das wohl den Rest der Woche so weitergehen würde. Ich hatte vergessen, wie Taylor war, wenn sie unbedingt etwas haben wollte. Dann steuerte sie fest entschlossen und wie getrieben auf ihr Ziel zu und hatte für nichts anderes mehr Augen. Gerade erst war sie angekommen, und schon hatte sie mich vergessen.

19
    Wir waren noch nicht lange im Ferienhaus, da wurde es für Steven auch schon Zeit aufzubrechen. Zusammen mit unserem Dad würde er herumreisen und sich verschiedene Colleges ansehen. Anschließend würde er nicht wieder nach Cousins kommen, sondern gleich nach Hause zurückkehren. Angeblich, um für seine Bewerbungstests zu büffeln, vermutlich aber eher, um mit seiner neuen Freundin rumzuhängen.
    Ich setzte mich in sein Zimmer und sah ihm beim Packen zu. Viel hatte er nicht dabei, gerade mal eine Reisetasche. Plötzlich fand ich es schade, dass er wegfuhr. Ohne Steven geriet alles aus dem Gleichgewicht – er war so etwas wie ein Puffer, meine Erinnerung ans reale Leben, daran, dass sich nichts wirklich ändert, dass alles bleiben kann, wie es ist. Weil Steven sich nie änderte. Er war einfach der unerträgliche, unausstehliche Steven, mein großer Bruder, der Fluch meiner Existenz. Er war so etwas wie unsere alte Wolldecke, die immer nach nassem Hund roch – ein bisschen miefig, ein bisschen tröstlich, ein Teil der Infrastruktur meiner Welt. Solange er da war, blieb alles wie immer, drei gegen eine, Jungen gegen Mädchen.
    »Ich wünschte, du würdest nicht wegfahren«, sagte ich und zog die Knie unters Kinn.
    »Wir sehen uns doch schon in einem Monat wieder«,

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