Der Sommer, als ich schön wurde
haben wirst. Wirf das nicht einfach weg.«
Gereizt antwortete ich: »Ich werfe überhaupt nichts weg. Wieso gibst du mir immer an allem die Schuld?«
»Ich gebe dir nicht die Schuld. Wieso beziehst du immer alles auf dich, Liebes?« Meine Mutter lächelte mich auf diese gelassene Art an, die mich so auf die Palme bringen konnte.
Ich verdrehte die Augen und ließ mich rücklings in den Pool fallen. Das Wasser war eisig. Als ich wieder auftauchte, brüllte ich: »Tu ich ja gar nicht!«
Dann fing ich an, meine Bahnen zu schwimmen, und mit jedem Gedanken an Taylor und Jeremiah wurde ich nur noch wütender und legte mich mehr ins Zeug. Als ich fertig war, taten mir die Schultern weh.
Meine Mutter war inzwischen wieder ins Haus gegangen, dafür kamen Taylor, Jeremiah und Steven nach draußen.
»Belly, schwimm nicht so viel, sonst kriegst du ein Schwimmerkreuz«, warnte mich Taylor und tauchte einen Zeh ins Wasser.
Ich beachtete sie gar nicht. Was verstand Taylor schon von Sport? Gymnastik hieß für sie auf Highheels durchs Einkaufszentrum zu stöckeln. »Was habt ihr denn gemacht?«, fragte ich, während ich mich auf dem Rücken treiben ließ.
»Nichts Besonderes«, antwortete Jeremiah vage.
Judas, dachte ich. Ein Haufen mieser Verräter seid ihr, weiter nichts. »Wo ist Conrad?«
»Was weiß ich. Der ist zu cool, um mit uns rumzuhängen«, sagte Jeremiah und ließ sich in einen Liegestuhl fallen.
»Conrad ist joggen gegangen«, sagte Steven leicht defensiv. »Er muss sich in Form bringen für die neue Footballsaison. Nächste Woche muss er ja schon weg – zur Trainingswoche, weißt du nicht mehr?«
Es fiel mir wieder ein. Diesen Sommer musste Conrad früher abreisen, damit er rechtzeitig fürs Probetraining zurück war. Mir war er eigentlich nie wie der typische Footballer vorgekommen, aber jetzt versuchte er tatsächlich, in die Mannschaft zu kommen. Vermutlich hatte Mr. Fisher dabei die Hände im Spiel; er war genau der Typ. Jeremiah auch. Auch wenn der den Sport nie wirklich ernst nehmen würde. Genauso wenig wie alles andere.
»Nächstes Jahr geh ich vermutlich auch in die Mannschaft«, sagte Jeremiah beiläufig, aber mit einem kurzen Seitenblick auf Taylor, um zu sehen, ob sie beeindruckt war. Sie war es nicht. Sie sah ihn nicht einmal an.
Er ließ die Schultern hängen, und jetzt tat er mir trotz allem leid.
»Komm, Jere, wir schwimmen um die Wette, okay?«
Achselzuckend zog er sein Hemd über den Kopf. Dann ging er ans tiefe Ende vom Becken und sprang ins Wasser. »Willst du einen Vorsprung?«, fragte er, als er wieder auftauchte.
»Nee, ich glaub, ich schlag dich auch so«, sagte ich und paddelte zu ihm hinüber.
»Haha, das wollen wir ja erst mal sehen.«
Wir sind eine Bahn gekrault, und er hat mich beim ersten Mal geschlagen und beim zweiten Mal auch. Aber bei der dritten und vierten Bahn habe ich’s ihm gezeigt und ihn geschlagen. Dass Taylor mich die ganze Zeit anfeuerte, hat mich nur noch saurer gemacht.
Am nächsten Morgen war sie wieder weg. Aber dieses Mal würde ich mit von der Partie sein. Schließlich gehörte der Strand nicht ihr und Jeremiah allein. Ich hatte genauso viel Recht auf den Sonnenaufgang wie die beiden. Also stand ich auf, zog mir etwas über und ging raus.
Erst habe ich sie gar nicht gesehen. Sie waren weiter hinten am Strand als sonst und drehten mir den Rücken zu. Er hatte die Arme um sie gelegt, sie küssten sich. Sie betrachteten nicht einmal den Sonnenaufgang. Und … es war auch nicht Jeremiah. Es war Steven. Mein Bruder.
Es war wie in einem dieser Filme, wenn es auf einmal klick macht und man begreift, wie alle Puzzleteile sich ineinanderfügen. Mein Leben kam mir plötzlich vor wie der Film Die üblichen Verdächtigen . Verschiedene Szenen liefen noch einmal vor meinen Augen ab – das Gezanke zwischen Taylor und Steven, der Abend, als er zur Strandpromenade gekommen war, Taylors Behauptung, Claire Cho habe »Krautstampfer«, die vielen Nachmittage, die sie bei mir zu Hause war.
Sie hörten mich nicht kommen. Bis ich ganz laut sagte: »Wow – erst Conrad, dann Jeremiah und jetzt mein Bruder.«
Beide drehten sich überrascht um. Steven versuchte etwas zu sagen. »Belly –«, kam Taylor ihm zuvor.
»Halt den Mund!« Ich sah meinen Bruder an, der sich unter meinem Blick wand. »Du bist so ein Heuchler! Du kannst sie doch nicht mal leiden! Du hast selbst gesagt, sie hätte sich wohl beim Blondieren sämtliche Gehirnzellen weggebleicht!«
Steven
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