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Der Sommer, als ich schön wurde

Der Sommer, als ich schön wurde

Titel: Der Sommer, als ich schön wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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räusperte sich und sah unsicher zwischen Taylor und mir hin und her. »Das hab ich nie gesagt.« Taylor heulte jetzt fast und wischte sich mit dem Ärmel ihres Sweatshirts übers linke Auge. Mit Stevens Sweatshirt, genauer gesagt. Vor lauter Wut konnte ich nicht einmal weinen.
    »Das sag ich Jeremiah.«
    »Belly, jetzt reg dich verdammt noch mal ab. Du bist langsam zu alt für deine Wutanfälle«, sagte Steven und schüttelte in Großer-Bruder-Manier den Kopf.
    »Geh doch zum Teufel!« Die Worte schossen nur so aus mir heraus, heiß und schnell und entschieden. Noch nie hatte ich so mit meinem Bruder geredet. Ich glaube, ich hatte überhaupt noch nie so mit irgendwem geredet. Steven blinzelte überrascht.
    Ich drehte mich um und ging. Taylor kam hinter mir her, aber ich lief so schnell, dass sie richtig rennen musste, um mich einzuholen. Wut macht vermutlich schnell.
    »Belly, es tut mir leid«, fing sie an. »Ich wollte es dir erzählen. Aber es ging alles so schnell.«
    Ich blieb stehen und fuhr herum. »Was denn? Was soll so schnell gegangen sein? Ich hab bloß mitbekommen, dass da was mit Jeremy so schnell ging, nicht mit meinem großen Bruder.«
    Sie zuckte hilflos mit den Schultern, aber das machte mich nur noch saurer. Arme kleine hilflose Taylor. »Ich war immer schon in Steven verknallt, das weißt du doch, Belly.«
    »Ehrlich gesagt Nein. Danke für die Info.«
    »Als ich gemerkt hab, dass er mich auch mag, das war – ich war völlig platt. Nie hätte ich das gedacht.«
    »Das ist es ja. Er mag dich ja auch nicht. Er benutzt dich bloß, weil du zufällig hier bist«, sagte ich. Das war grausam, das wusste ich, aber gleichzeitig war es wahr, das wusste ich auch. Ich ging ins Haus und ließ sie stehen.
    Sie kam hinter mir hergeschossen und packte mich am Arm, aber ich schüttelte sie ab.
    »Bitte, Belly, sei nicht böse. Ich will doch, dass alles zwischen uns wie immer bleibt.« Tränen schwammen in Taylors braunen Augen. Was sie allerdings wirklich meinte, war: Ich will, dass du immer dieselbe bleibst, während ich einen größeren Busen kriege und mit Geigenstunden aufhöre und deinen Bruder küsse.
    »Nichts bleibt immer, wie es war«, sagte ich. Ich wusste, dass ihr das wehtun würde, genau deswegen sagte ich es ja.
    »Sei nicht sauer auf mich, Belly, okay?«, bettelte sie. Taylor konnte es nicht ertragen, wenn jemand sauer auf sie war.
    »Ich bin nicht sauer auf dich«, sagte ich. »Ich glaube nur, wir sind uns gegenseitig fremd geworden.«
    »Sag das nicht, Belly.«
    »Es stimmt aber, deshalb sag ich’s.«
    »Es tut mir leid, okay?«
    Ich sah einen Moment zur Seite. »Du hast versprochen, nett zu ihm zu sein.«
    »Zu wem? Steven?« Taylor sah ehrlich verwirrt aus.
    »Nein, Jeremiah. Du hast gesagt, du würdest nett zu ihm sein.«
    Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ach, dem macht das nichts.«
    »O doch. Aber du kennst ihn eben nicht.« Nicht so, wie ich ihn kenne, hätte ich gern hinzugefügt. »Nie hätte ich gedacht, dass du so sein könntest, so … so …« Ich suchte nach dem passenden Wort, um sie so zu verletzen, wie sie mich verletzt hatte. »So eine Schlampe.«
    »Ich bin keine Schlampe«, sagte sie mit dünner Stimme.
    Das war es also, die Macht, die ich über sie hatte – ich, die angebliche Unschuld, über sie, die angebliche Schlampe. Es war alles eine einzige Kacke. Dabei hätte ich alles dafür gegeben, mit ihr zu tauschen.
    Später fragte mich Jeremiah, ob ich Lust hätte, eine Runde Speed zu spielen. Den ganzen Sommer über hatten wir es kein einziges Mal gespielt. Dabei hatte das Tradition, es war einfach unser Spiel. Ich war dankbar, es zurückzuhaben. Selbst wenn es nur ein Trostpreis war.
    Jeremiah teilte die Karten aus, und wir fingen an, aber keiner von uns war richtig bei der Sache. Wir hatten anderes im Kopf. Ich dachte, es gäbe eine stumme Übereinkunft zwischen uns, nicht von ihr zu sprechen, vielleicht wusste er ja auch gar nicht, was passiert war, doch auf einmal sagte er: »Ich wünschte, du hättest sie nie mit hergebracht.«
    »Ich auch.«
    »Es ist besser, wenn wir alleine sind«, sagte er und mischte seine Karten neu.
    »Stimmt«, sagte ich.
    Nachdem sie abgereist war, nach jenem Sommer, war alles einerseits wieder wie früher, andererseits aber auch nicht. Taylor und ich waren noch Freundinnen, nicht so wie sonst, aber immer noch Freundinnen. Sie hatte mich mein Leben lang gekannt. Es ist schwer, einen Teil seiner Geschichte einfach wegzuwerfen. Das

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