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Der Sommer, als ich schön wurde

Der Sommer, als ich schön wurde

Titel: Der Sommer, als ich schön wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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rückwärts aus dem Zimmer. »Und würdest du vielleicht die Musik nicht wieder so laut aufdrehen? Du hast schon das ganze Haus aufgeweckt.«
    Er lächelte. Conrad hatte eine Art, mich anzusehen – und nicht nur mich, überhaupt jeden –, bei der sich auf einmal alles in Wohlgefallen auflöste und man am liebsten zu seinen Füßen niedersinken wollte. »Klar«, sagte er. »Schlaf schön, Bells.« Bells – mein uralter Spitzname von vor tausend Jahren.
    Er machte es einem so schwer, ihn nicht zu lieben. Wenn er so war wie gerade eben, so süß, dann wusste ich wieder, wieso. Ich meine, wieso ich ihn früher so liebte.
    Alles wusste ich noch.

30   
    mit elf
    Im Sommerhaus gab es einen Stapel CDs, die wir immer wieder hörten, das war’s aber auch. Den ganzen Sommer über hörten wir dieselbe Musik. Morgens legte Susannah The Police auf, nachmittags Bob Dylan und zum Abendessen Billie Holiday. Abends hatten wir freie Wahl, und das war manchmal unglaublich komisch. Dann legte Jeremiah seine Chronic-CD auf, und wenn meine Mutter gerade dabei war, Wäsche zu falten, summte sie mit. Dafür sang Jeremiah sämtliche Songs mit, wenn meine Mutter Aretha Franklin auflegte, denn er konnte sie inzwischen alle auswendig, so oft hörten wir sie.
    Meine Lieblingsmusik war Motown und Strandmusik. Wenn ich mich in die Sonne legte, um Farbe zu kriegen, hörte ich sie auf Susannahs altem Walkman. An jenem Abend legte ich im Wohnzimmer Boogie Beach Shag auf, und Susannah schnappte sich Jeremiah und fing an zu tanzen. Er war gerade dabei gewesen, mit Steven, Conrad und meiner Mutter Poker zu spielen. Meine Mutter war richtig gut im Pokern.
    Erst protestierte Jeremiah, aber dann machte er doch mit. Der Shag war ein Strandtanz aus den sechziger Jahren. Ich sah den beiden zu. Susannah warf lachend den Kopf zurück, Jeremiah wirbelte sie herum, und ich bekam solche Lust, auch zu tanzen. Es juckte mich regelrecht in den Füßen. Schließlich lernte ich sowohl klassisches Ballett als auch Modern Dance. Es wäre mal eine Gelegenheit zu zeigen, wie gut ich war.
    Ich stupste meinen Bruder mit dem großen Zeh an. »Stevie, tanz mit mir«, forderte ich ihn auf. Ich lag auf dem Boden und sah zu den anderen hoch.
    »Klar doch«, sagte er. Dabei konnte er überhaupt nicht tanzen.
    »Connie, tanz mit Belly«, drängte Susannah ihren Ältesten. Sie hatte knallrote Backen, und Jeremiah wirbelte sie gerade herum.
    Ich wagte es nicht, Conrad anzusehen. Ich hatte Angst, man könnte in meinem Gesicht lesen wie in einem Buch und mir ansehen, wie sehr ich ihn liebte und wie schrecklich wichtig es für mich war, dass er Ja sagte.
    Conrad seufzte. Damals war er noch richtig gut darin, immer das Richtige zu tun. Also gab er mir eine Hand und zog mich hoch. Ich kam schwankend auf die Füße, aber er ließ mich nicht los. »Ich zeig dir, wie man Shag tanzt«, sagte er und machte schon schnelle kleine Schritte. »Eins-zwei-drei, eins-zwei-drei, Rock Step.«
    Erst nach mehreren Versuchen hatte ich’s raus. Es war schwieriger, als es aussah, und ich war aufgeregt. »Achte auf den Takt«, sagte Steven von der Seite.
    »Guck nicht so verkrampft, Belly. Das ist ein ganz entspannter Tanz«, kommentierte meine Mutter von der Couch.
    Ich bemühte mich, die anderen zu ignorieren und nur Conrad anzusehen. »Woher kannst du das?«, fragte ich ihn.
    »Meine Mom hat’s uns beiden beigebracht«, antwortete er schlicht. Dann zog er mich an sich und legte meinen Arm so um seinen, dass wir Seite an Seite unsere Schritte machten. »Das nennt man den Cuddle.«
    Dieser Cuddle gefiel mir am besten. So nah war ich Conrad noch nie gewesen. »Noch mal«, sagte ich und tat so, als hätte ich es immer noch nicht begriffen.
    Er zeigte es mir noch einmal, legte seinen Arm über meinen. »Siehst du? Jetzt hast du’s kapiert.«
    Er wirbelte mich herum, und mir wurde schwindlig. Vor lauter Glück.

31
    Den ganzen nächsten Tag habe ich mit Cam am Meer verbracht. Wir hatten alles für ein Picknick mitgenommen. Cam machte Vollkornsandwiches mit Avocado und Sprossen und Susannahs selbst gemachter Mayonnaise. Sie schmeckten super. Wir blieben so lange im Wasser, es kam mir jedes Mal wie Stunden vor. Wann immer sich eine Welle aufbaute, fing einer von uns zu lachen an, und dann wurden wir von den Wassermassen überspült. Die Augen brannten mir vom Salzwasser, und meine Haut fühlte sich wund an, weil sie sich so oft am Sand scheuerte. So als hätte ich den ganzen Körper mit dem

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