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Der Sommer deines Todes

Der Sommer deines Todes

Titel: Der Sommer deines Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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fährt, stehen bleibt. Er tritt in die Kabine und drückt auf L für Lobby. Der altersschwache Fahrstuhl gleitet schwerfällig nach unten und bleibt unvermittelt stehen.
    Mac betätigt die Notruftaste, wartet, dass der Alarm ausgelöst wird. Nichts. Er versucht es noch einmal. Wieder nichts. Da der Notruf offensichtlich nicht funktioniert, drückt er eine Taste nach der anderen. Der Lift rührt sich nicht von der Stelle, und in der Kabine kann er auch nicht telefonieren, weil er kein Netz hat.
    Dann fällt das Licht aus.
    Der Ammoniakgeruch aus der Tüte wird immer stechender, und bald steigt Mac auch noch Chlorgestank in die Nase. Wenn Lacie Ordnung schafft, dann aber gleich richtig. In der Schwangerschaft mit so scharfen Chemikalien zu hantieren, ist keine gute Idee.
    Da fällt ihm ein Lehrsatz aus dem Chemieunterricht ein: Ammoniak und Chlor ergeben eine tödliche Mixtur.
    Und er erinnert sich an etwas, das Lacie bei ihrem ersten Treffen erwähnte: Sie hat ein paar Semester lang chemische Verfahrenstechnik studiert.
    In dem Moment spürt er ein Brennen in der Kehle, in der Speiseröhre.
    Er lässt die Tüte fallen, ein Glasbehälter zerbricht und beißende Dämpfe steigen auf.
    Schwindel und Übelkeit lösen bei Mac Gleichgewichtstörungen aus. Er streckt sich und streicht mit den Fingerspitzen über die Kabinendecke, bis er eine Luke ertastet. Er springt hoch, drückt den Deckel auf und landet mit dem Allerwertesten auf dem Boden. In der wackelnden Kabine kämpft er gegen die einsetzende Müdigkeit an. Er fühlt sich, als würde er von einer riesigen Welle überrollt, beißt die Zähne zusammen und richtet sich auf. Benommen legt er die Hände auf den Lukenrand und versucht, sich hochzuziehen. Er darf nicht sterben, darf nicht zulassen, dass ihr Geständnis vernichtet wird.
    Mit brennenden Lungen und nachlassender Muskelkraft versucht sich er röchelnd durch die Deckenöffnung zu zwängen, scheitert und wagt einen neuen Versuch. Diesmal schafft er es. Oben auf der Kabine ruht er sich kurz aus und saugt gierig die abgestandene, ungiftige Luft ein. Nach einer kleinen Weile zieht er die Beine hoch, legt sich auf den Rücken und schließt die Luke mit einem Fußtritt. Die Vorstellung, hier kurz ein Nickerchen zu halten, ist äußerst verführerisch. Seine Lider sind bleischwer, sein Körper ist völlig entkräftet. Solange er sich nicht rührt, ist ihm auch nicht schwindelig. Und ehe er sich’s versieht, schläft er tief und fest.

Kapitel 19
    I ch stürze zur Tür und schließe Dathi in die Arme. So wie ich sie kenne, wird sie jetzt keine Träne vergießen, während ich spüre, wie meine Augen feucht werden. Unser Zusammenleben hat mich gelehrt, dass Dathi erst später, wenn sie allein im Bett liegt, ihren Gefühlen freien Lauf lassen und sich von mir trösten lassen wird.
    Ich trete einen Schritt zurück und betrachte das ungewaschene, sonnenverbrannte Gesicht meiner Tochter. «Was haben sie mit dir gemacht? Wo warst du?», frage ich sie. «Waren Fremont und du zusammen? Wo steckt Ben? Und Mary?»
    Dathi hebt ihre schmale Hand und deutet auf mein Stirnpflaster. «Was ist dir denn zugestoßen?»
    «Ich habe nach euch gesucht, bin nach Norden gefahren und hatte einen Autounfall, aber es geht mir gut.» Autounfall. Als ob man dieses Mädchen zum Narren halten könnte.
    Der Polizist hinter der Empfangstheke hört auf, mich zu ignorieren, und beobachtet uns neugierig. Dathi würdigt ihn keines Blickes, doch ich spüre ihr Unbehagen. Als sie sich auf die Zehenspitzen stellt, neige ich den Kopf. «Wir sollten von hier verschwinden, Karin», flüstert sie mir ins Ohr.
    «Aber Fremont ist hier. Wir müssen …»
    «Pst.» Sie nimmt meine Hand, zieht mich nach draußen in die laue Nacht.
    «Fremont wurde verhaftet», erkläre ich. «Zu Unrecht. Mach dir bitte keine Sorgen, aber wir müssen …» Hierbleiben und dafür sorgen, dass man ihn freilässt, will ich sagen, doch ihr Blick verrät, dass dieses kluge Mädchen mehr weiß als ich.
    «Seine Verhaftung war kein Zufall. Der Polizeichef ist ein Freund von Emiliana, der Frau, die uns gefangen gehalten und die Mary immer Liz genannt hat.»
    «Erzähl weiter.»
    «Ihre Tochter hat ihr geholfen.»
    «Blaine», sage ich. «Liz und Blaine.»
    «Ja, das hat Mary auch geschnallt. Deshalb konnten Fremont und ich fliehen … weil Mary uns eingeweiht hat und wir …» Atemlos bricht sie ab und holt erst einmal tief Luft. Ich halte sie in den Armen, bis sie sich beruhigt. Dann ist

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