Der Sommer deines Todes
einen Durchsuchungsbeschluss. Ich gehe allein hoch, dann gibt es keine Scherereien.»
«Na schön, aber ich warte hier auf dich. Dein Flug geht um zehn nach acht. Wenn du bis halb fünf nicht aufgetaucht bist, hole ich dich da raus.»
«So lange wird’s nicht dauern.»
Mac wirft die Tür zu, schaltet vor dem Gebäude die Diktierfunktion seines Handys ein und steckt es in seine Hosentasche, ehe er klingelt. Kurz darauf dringt ihre Stimme aus der Gegensprechanlage: «Ja?»
«Lacie, hier ist Mac MacLeary. Ich muss mit Ihnen sprechen.»
«Wer?»
«Mac MacLeary. Sie haben mir den London-Job zugeschustert.»
«O ja, richtig.»
«Würden Sie mich bitte reinlassen?»
«Was wollen Sie hier?», fragt sie leicht verärgert. «Bei mir zu Hause? An einem Sonntag?»
«Das ist zugegebenermaßen etwas unpassend, aber wir müssen uns unterhalten.»
«Morgen … in meinem Büro.»
«Nein, jetzt!»
«Auf Wiedersehen, Mr. MacLeary.»
Er hört ein Klicken und klingelt sofort wieder.
«Verschwinden Sie!», schimpft sie.
«Der Mann, für den Sie arbeiten, ist ein Mörder.» Ihr Schweigen ermuntert ihn, fortzufahren. «Er hat Sie beauftragt, mich anzuheuern, damit ich meine Beschattung –»
Der Türöffner summt.
Ein klappriger alter Fahrstuhl bringt ihn in den achten Stock, wo sie – barfuß, in einem ärmellosen schwarzen Umstandskleid und mit verstrubbeltem Haar – bereits im Flur auf ihn wartet. Entweder hat sie gerade geschlafen oder heute einfach keine Lust gehabt, sich zurechtzumachen. Mac fällt auf, dass ihr Ehering tief in den angeschwollenen Finger einschneidet. Wortlos scheucht sie ihn missmutig in ihr Apartment und verriegelt die Tür. In dem langen, aufgeräumten Wohnraum, der mit Ikea-Möbeln ausgestattet ist, deutet nichts darauf hin, ob sie bereits Kinder hat.
«Weiß jemand, dass Sie hier sind?», fragt sie und nimmt ungelenk auf einem Stuhl Platz.
«Nein.» Nur Billy, aber das muss sie ja nicht erfahren.
Nachdenklich runzelt sie die Stirn. Auf einer Anrichte gegenüber der Tür stehen gerahmte Hochzeitsfotos von einer jüngeren, schlankeren Lacie in weißem Kleid und einem asiatisch aussehenden Mann.
«Das ist Rick.»
«Ist Ihr Gatte aus Dubai zurück?»
«Noch nicht. Ich habe ihn seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Wenn er wüsste …»
«Er muss hiervon nichts erfahren. Ich will nur meine Familie zurück. Ich möchte endlich einen Schlussstrich unter diese Sache ziehen.»
«Ihre Familie?», fragt sie mit entgeistertem Blick.
Mac schildert ihr, was sich ereignet hat.
«Mir hat man nur erzählt, dass wir Sie so weit wie möglich wegschicken und ablenken sollen.»
«Warum ausgerechnet nach London?»
«Unsere Beziehungen zu Barclays sind sehr gut. Und außerdem liegt es auf dem Weg nach …»
«Wieso Sardinien?», fällt er ihr ins Wort.
«Weil wir dort das richtige Haus und kooperationsbereite Leute gefunden haben.»
«Zweifellos mit Hilfe von Liz Braud.»
Als ihr dämmert, dass er mehr weiß, als sie ausgeplaudert hat, wendet sie den Blick ab. «Hören Sie, ich weiß nur, dass es darum ging, Sie von Godfrey Millerhausen abzulenken, mehr nicht. Wir arbeiten häufig für ihn. Er ist ein hochkarätiger Kunde, dem wir gern behilflich sind.»
«Wer hat Ihnen die Anweisung gegeben?»
«Mein Chef meinte, die Order käme direkt von der Geschäftsleitung. Wir mussten Sie nur anheuern und für Sie eine Unterkunft besorgen. Um alles andere sollte sich Barclays kümmern.»
«Haben Sie gewusst, dass Godfrey seine Frau betrügt?»
Sie errötet. «Ja.»
«Und Sie wussten auch von dem Ehevertrag?»
«Mir war schon klar, dass es nicht richtig ist, ihm zu helfen. Auf der anderen Seite ist er ein zahlender Kunde, einer unserer besten, und manchmal müssen wir da …» Sie bricht ab. «Ich hätte mehr Fragen stellen sollen.»
«Das sehe ich auch so. Wissen Sie, wer seine Freundin war?»
Sie nickt schwach. «Irgendein junges Mädchen.»
Mit einem Blick auf ihren Bauch sagt er: «Er hat sie lebendig begraben.»
Lacies Augen werden feucht. «Ich versuche, darüber nicht nachzudenken. Ich bin auf eine Beförderung angewiesen, und momentan gibt es auf dem Jobmarkt nicht gerade viele Alternativen.»
«Wie hat er sie kennengelernt?»
«Werden Sie die Polizei verständigen?»
«Ich leite nur die Fakten weiter.»
«Ich weiß nicht, was ich tun soll», gesteht sie mit zitternder Stimme. «Der Zeitpunkt könnte nicht schlechter sein.»
«Lacie, hören Sie, Sie haben keine Wahl.»
Sie atmet
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