Der Sommer deines Todes
ihr, Lacie Chen, die nun bei Kroll nicht mehr die Karriereleiter hochklettern wird, und den Hausmeister festzunehmen, der sich für das Risiko, das er eingegangen ist, viel zu billig hat kaufen lassen.
«Ich glaube, sie hat ihm für die Manipulation des Fahrstuhls nur hundert Mäuse versprochen», weiht Mac Billy ein, der vor einer orangenen Ampel Gas gibt. «Er konnte sie noch auf zweihundertfünfzig hochhandeln, bevor du aufgetaucht bist.»
«Ein richtiger Sechser im Lotto.»
Mac lehnt sich zurück und holt sein Handy heraus, um Billy die Aufzeichnung zu mailen. «Sieh mal an, ich habe anscheinend aus Versehen auf Aufnahme gedrückt und auch unser Gespräch mitgeschnitten.»
«Haben wir was Schlimmes über Dash gesagt?»
«Nicht, dass ich mich entsinne.»
«Gut», meint Billy lachend. «Dann haben wir ja nichts zu befürchten.»
Montag, 16. Juli
Nachdem wir fünf Autoverleihe abgeklappert haben, gelingt es uns, ein blaugrünes Citroën-Cabrio zu mieten. Eigentlich muss es repariert werden, weil sich das Dach nicht richtig schließen lässt. Der englisch sprechende Mitarbeiter beharrt darauf, dass er den Wagen nicht herausgeben kann, aber nach harter Verhandlung besinnt er sich eines Besseren und erhält für seinen Sinneswandel ein beachtliches Trinkgeld.
Mitten in der Nacht fahren wir auf menschenleeren Straßen an der Ostküste entlang nach Norden. Die Fahrt in der Dunkelheit ist anstrengend. Mittlerweile ist es bereits zwei Uhr. Nach meiner Schätzung wird es noch eine ganze Weile dauern, bis wir Liz Brauds Hotel erreichen. Seit einer Stunde leide ich unter Migräne und bin ganz schön erledigt. Es fällt mir schwer, die Augen offen zu halten, und so fahre ich vor Orosei auf den Seitenstreifen.
Da es nachts empfindlich kalt wird und wir keine Pullis oder Decken dabeihaben, versuche ich, das Verdeck zu schließen, damit uns die Hitze, die unsere Körper abstrahlen, etwas wärmt. Dathi legt sich auf die kurze Rückbank, während ich es mir, so gut es eben geht, auf dem Fahrersitz bequem mache. Mein geschundener Körper hat sich von dem Unfall noch nicht erholt. Im silbernen Mondlicht entdecke ich auf meinem rechten Oberarm einen riesigen Bluterguss. Habe ich mir noch andere Blessuren zugezogen, von denen ich nichts weiß? Mehr blaue Flecken an Stellen, die ich nicht sehen kann? In dem Moment muss ich an Mac denken, den ich unglaublich vermisse. Wo steckt er jetzt?
Stunden später weckt mich die grelle Morgensonne auf.
Dathi schläft noch. Ich steige aus dem Wagen und strecke mich. Meine Muskeln sind von der Kälte ganz steif. Die kleinste Bewegung schmerzt. Selbst das Denken fällt mir schwer. In meinem Kopf dröhnt ein Presslufthammer, der sich nicht abstellen lässt. In meiner Handtasche suche ich nach Schmerztabletten, wohl wissend, dass ich keine finden werde. Ich bin Mutter, habe die vierzig überschritten und müsste eigentlich daran denken, Pflaster und Aspirin einzustecken, aber solche Binsenweisheiten beherzige ich nur sporadisch. Keiner kann aus seiner Haut, betont meine Mutter gern. Auch sie fehlt mir. Am liebsten würde ich sie jetzt anrufen, aber die Zeitverschiebung hält mich davon ab. Ob Mac sie wohl gesprochen oder besucht hat? Seit ein paar Tagen leide ich unter Heimweh. Ein Blick auf Dathi, die hinten auf der Rückbank schlummert, tröstet mich. Seit meiner Ankunft auf Sardinien war ich meiner Heimat nie so nah wie in diesem Moment.
Ich stecke den Akku ins Handy, um nachzusehen, ob mir jemand eine SMS geschickt oder eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen hat: Nichts. Obwohl ich inzwischen mitgekriegt habe, dass die Netzqualität an der Küste stark zu wünschen übriglässt, wenn man sich nicht gerade in einem Hotel, Restaurant oder Geschäft aufhält, entferne ich den Akku wieder. Ohne den Citroën aus den Augen zu lassen, hocke ich mich hinter einen Busch, um zu pinkeln. Danach kehre ich zum Auto zurück und lege Dathi den Sicherheitsgurt an, damit sie auf der Fahrt in die Stadt nicht vom Sitz rutscht und aufwacht.
In Orosei finde ich eine Apotheke. Im Schaufenster hängen Plakate, die für Sonnenmilch werben. In hinteren Teil brennt Licht, aber die Tür ist zu meiner Enttäuschung noch zu. Während ich draußen in der schwülen Morgenhitze warte und mir der Geruch von frisch gebackenem Brot in die Nase steigt, taucht drinnen eine Frau auf und schaltet die Lampen ein.
«Avanti, Signora», bittet sie, nachdem sie die Tür aufgeschlossen hat.
In der Apotheke lege ich als
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