Der Sommer deines Todes
durchaus Anlass zur Sorge bietet. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie es einer erschöpften Frau und einem verängstigten Mädchen gelingen soll, ohne Waffen jemanden zu befreien. «Wir lassen uns etwas einfallen.» Ich entferne den Akku meines Blackberrys, damit Greco mich dieses Mal nicht so leicht orten kann.
Am ganzen Leib zitternd, wacht Mac auf, rollt von dem Erbrochenen weg, um nicht in der Lache zu ersticken. Er kniet sich hin, atmet mehrmals tief durch und erinnert sich, was geschehen ist: Er sitzt in einem Fahrstuhlschacht in Lacie Chens Wohnhaus fest. Wie viel Zeit ist vergangen? Sucht sie schon nach ihm? Falls ja, wäre es durchaus möglich, dass sie den Fahrstuhl ruft und er dann zerquetscht wird.
Schwerfällig richtet er sich auf und versucht, sich im Dunkel zu orientieren. Im schwachen Lichtschein seines Handydisplays entdeckt er einen Meter über seinem Kopf eine 6 und eine Tür im Schacht. Dann erst kommt er auf die Idee, die Uhrzeit aus dem Display mit dem Zeitpunkt zu vergleichen, wo er sein Gespräch mit Lacie aufgezeichnet hat: Sieben Minuten sind verstrichen. Er steckt das Telefon in die Tasche, steht auf und schafft es gerade so, einen Fuß auf die schmale Kante vor der verschlossenen Tür zu setzen. Mit beiden Händen versucht er, die Tür gewaltsam aufzuschieben. Dabei brechen drei Nägel ab, doch der Schmerz, der durch seine Finger schießt, schürt nur seine Wut und seine Entschlossenheit.
Als er spürt, wie die Tür nachgibt, stöhnt er laut auf, erhöht den Druck, schiebt die beiden Elemente auseinander und zwängt sich durch den Spalt auf den Flur in der sechsten Etage. Da dieser Korridor mit dem auf Lacies Stockwerk identisch ist, kann Mac sich zusammenreimen, wo das Treppenhaus liegt. Er kann nur hoffen, dass der Eingang nicht auch zugesperrt ist. Wahrscheinlich hat Lacie einen Komplizen, der die Tür oben abgeschlossen und den Fahrstuhl sabotiert hat. Schweißnass und mit klopfendem Herzen sprintet Mac durch den Flur, gelangt ins Treppenhaus und nimmt zwei, drei Stufen auf einmal.
Er muss es nach unten schaffen, muss Billy die Aufzeichnung übergeben und in den Flieger nach Sardinien steigen.
Die Tür zum Foyer scheint verschlossen. Aber als Mac mit den Schultern dagegendrückt, öffnet sie sich ein paar Zentimeter und er sieht, wie jemand auf der anderen Seite dagegenhält. Ächzend setzt sein Widersacher seine ganze Körperkraft ein und versucht mit aller Macht, die Tür wieder ganz zu schließen, doch kurze Zeit später hat er nicht mehr genug Kraft um weiterzumachen. Als die Tür auffliegt, sieht Mac, wie ein dickbäuchiger Mann in grüner Hausmeisteruniform keuchend zu Boden geht.
«Zweihundert Dollar, José», schallt Lacies körperlose Stimme durch das Treppenhaus. «Zweihundertfünfzig. Halten Sie ihn auf!»
José umklammert Macs Fußgelenk und bringt ihn zu Fall. Bevor er aufschlägt, erschüttert eine Explosion das Foyer, die Eingangstür wird aus den Angeln gehoben, Glasscherben prallen von den alten Blechbriefkästen ab.
«Hände hoch!», schreit Billy.
«Dreihundert, José!»
«Ich mag zwar blank sein, aber bescheuert bin ich nicht», murmelt José und lässt Macs Fuß los.
«Los, Mann, steht auf und hau ab», drängt Billy seinen Freund. «Den Flieger darfst du auf keinen Fall verpassen.»
«Verhafte sie. Die beiden wollten mich umbringen.»
«Um die kümmere ich mich später.»
«Billy, Lacie weiß genau Bescheid über Alicia Griffins Ermordung und Millerhausens Vertuschungsmanöver. Wir dürfen sie damit nicht davonkommen lassen.»
«Nein, das dürfen wir nicht», dringt eine laute, gereizte Frauenstimme ins Foyer, «und das werden wir auch nicht!» La-a trägt zwar noch das Kleid, das sie für den Kirchgang angezogen hat, hält aber auch eine Waffe in der Hand. Offenbar hat Billy sie verständigt, während er draußen auf Mac wartete. «Fahr ihn zum Flughafen, Billy. Ich habe das hier unter Kontrolle, und gleich kommt die Verstärkung.»
Billy legt die Hand unter Macs Ellbogen und schiebt ihn vor sich her. Kaum sind sie auf der Straße, tauchen zwei Streifenwagen mit Blaulicht auf und legen eine Vollbremsung hin. Im Haus hört er La-a noch schimpfen: «Nie wieder Übernachtungsgäste.» Dann befiehlt sie mit fester Stimme: «Sie da! An die Wand und Hände auf den Rücken! Sie auch, hierher, und zwar pronto! An die Wand, und erzählen Sie mir ja nicht, Ihre Fruchtblase wäre geplatzt, denn das hätte ich mitgekriegt.»
Zwei Kollegen helfen
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