Der Sommer deines Todes
und üppig wuchernde Bougainvillea frei.
Wir haben uns richtig entschieden. Du wirst begeistert sein
, schreibt Mary Karin in einer Mail und hängt das Foto an. Die Nachricht wird sie erst morgen versenden können, wenn sie wieder Strom haben oder auf der Fahrt zum Strand irgendwo Empfang bekommen. Obwohl es erst ein paar Stunden her ist, seit sie im Carrefour waren und die alten Mails endlich verschickt haben, hat sie schon wieder mehrere Nachrichten an Karin verfasst, die am Telefon besorgt geklungen hatte. Zu Marys Aufgaben gehört es auch, Karin darin zu unterstützen, dass alles rund läuft. Ihr war von Anfang an klar, dass sie die Stelle ihrer Kompetenz und ihrem Optimismus verdankt. Sie nimmt sich vor, heute Nachmittag auf jeden Fall zu versuchen, Karin die Mails samt Fotos zu schicken. Dann wird sie auch erfahren, wie die Antwort der Rossis lautet. Seit sie das Foto von ihnen und Blaine Millerhausen entdeckt hat, treibt sie die Frage um, ob es sich bei der vierten Person um Millerhausens Exfrau handelt.
Sie schüttelt diesen unangenehmen Gedanken ab und ruft gespielt fröhlich: «Kinder, wir räumen jetzt auf und machen uns für den Strand fertig. Dann treffen wir uns draußen beim Wagen.»
Dathi cremt Ben mit Sonnenmilch ein, während Fremont den Sand aus den bereits benutzten Badetüchern schüttelt und sie in eine große Strandtasche stopft. Mary setzt sich auf die Stufen vors Haus, breitet eine Karte auf dem Schoß aus, fährt mit dem Zeigefinger über den Plan und prägt sich die Strecke nach Mari Pintau ein. Neben den täglichen Strandausflügen haben sie bisher nur einen Trip ins mittelalterliche Cagliari gemacht, wo Fremont Ben davon überzeugt hat, die Stadt befände in der Nähe von Hogwarts. All die anderen Sehenswürdigkeiten werden sie erst besichtigen, wenn Mac und Karin eingetroffen sind. So lange kann Mary in aller Ruhe Pläne schmieden. Wenn Ben schläft und sich Dathi und Fremont auf der Couch unterhalten oder bei Kerzenlicht im Schneidersitz auf dem Boden Karten spielen, legt sich Mary ins Bett, studiert mit einer Taschenlampe den
Lonely Planet
und stellt Reiserouten zusammen. Doch selbst wenn sich herausstellt, dass die Bekanntschaft der Rossis mit Millerhausens ganz harmlos ist und sie ihren Urlaub voll auskosten können, ist es ein Ding der Unmöglichkeit, innerhalb von drei Wochen alle Touristenattraktionen auf diesem vierundzwanzigtausend Quadratkilometer großen Eiland abzuklappern.
Als sie hört, wie sich Dathi und Ben im Badezimmer kabbeln, bittet sie ihren Sohn: «Free, kannst du bitte mal nachsehen, was da los ist?».
«Ben hasst Sonnencreme.»
«Erzähl ihm einen Witz oder lenke ihn irgendwie ab, ja?»
Just in dem Moment, als Fremont im Haus verschwindet, klingelt es. Wer es ist, kann sie nicht sehen, denn der Garten ist mit einem hohen Zaun gesichert, und das Tor ist abgesperrt. Mary geht ins Haus, schaltet die Gegensprechanlage ein und fragt auf Italienisch: «Pronto?»
Ein Mann plappert wie wild drauflos. Zu dumm, dass sie kein Wort von dem versteht, was er sagt. Mary kommt ins Grübeln. Ist Dante, der Mann vom Schlüsseldienst, einen Tag eher gekommen? Oder hat sie ihn falsch verstanden und sie haben einen Termin für heute vereinbart? Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, sprintet sie durch den Garten und öffnet das Tor.
Auf der Straße wartet ein junger Mann mit schwarzem Kinnbart, strahlend blauen Augen und einem alten Werkzeugkoffer in der Hand. Hinter ihm steht ein weißer Geländewagen mit einem Schlüssel-Aufkleber. Er macht eine kleine Verbeugung und sagt etwas Unverständliches, das sehr schön klingt.
«Tut mir leid», beginnt Mary, «ich spreche leider kein Italienisch. Sie müssen Dante sein. Ich bin Mary. Kommen Sie, ich zeige Ihnen, wo es hakt.» Sie tritt von dem Tor zurück, zeigt auf den zugesperrten Schuppen und bedeutet ihm, ihr zu folgen. Dann legt sie die Hand auf die Klinke, zieht daran, tut so, als wolle sie aufschließen, schüttelt traurig den Kopf und sagt: «Kein Schlüssel. Schlüssel weg. Kein Schlüssel. Schloss austauschen.»
Mary schätzt den charmant lächelnden Dante auf Mitte zwanzig. Ein sympathischer junger Mann mit einem Ehering und einem festen Job. Sie macht ihm Platz, während er das passende Werkzeug heraussucht und kurze Zeit später die knarzende Tür öffnet, aus der ein Schwall abgestandener Luft strömt.
«Scheint für Sie ja ein Kinderspiel zu sein!», sagt Mary begeistert.
Er schenkt ihr ein Lächeln, als hätte er
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