Der Sommer deines Todes
schießwütigen Polizisten werden.
«Habt ihr Spaß?», frage ich Dathi.
«Ja, es ist hier sehr nett. Die Strände sind wirklich wunderschön. Und abends gibt es immer Pizza, weil, wenn du mich fragst, Mary die Speisekarte nicht lesen kann.»
«Ich habe gehört, dass die Pizza da sehr lecker ist.»
«Das stimmt. Ganz in der Nähe vom Haus haben wir ein Restaurant gefunden, das Su Marigi. Es macht erst um acht Uhr auf, und da sind wir immer die einzigen Gäste. Hier essen die Leute um zehn, aber dann schläft Ben schon, und wir müssen ihn zum Wagen tragen.»
«Ich kann es gar nicht erwarten, mit euch dort Pizza zu essen. Ich vermisse euch.»
«Das hast du schon gesagt, Karin», stellt sie bestimmt, aber freundlich klar. «Soll ich dir noch mal Mary geben?» Im Gegensatz zu anderen Mädchen ihres Alters würde Dathi niemals offen zugeben, dass es sie langweilt, sich mit mir zu unterhalten. Manchmal wünschte ich mir, sie würde sagen, was sie denkt. Dann müsste ich nicht diese peinlichen Situationen ertragen, die mich daran erinnern, dass wir nicht verwandt sind.
«Sicher, Schätzchen, wir sehen uns morgen.»
«Ich sollte Dathi helfen, einen Bikini auszusuchen», sagt Mary, als sie wieder am Apparat ist. «In Italien dauert alles zehnmal länger. Bald sehen wir uns ja wieder.»
«Falls in London alles glatt läuft.»
«Warum sollte es nicht glatt laufen? Macs Auftrag ist doch ein Klacks.»
«Wahrscheinlich. Passt auf, dass ihr heil aus dem riesigen Supermarkt rauskommt, und viel Glück mit Dante. Wir sehen uns dann morgen im Paradies.»
Mary und ich lachen uns schlapp, denn dass sie auf dieser idyllischen Insel ausgerechnet in der Vorhölle Supermarkt landen, ist einfach urkomisch. Anscheinend machen der Fortschritt und das moderne Leben nicht einmal vor der vielzitierten Schönheit Sardiniens halt. Ich beschließe, dass ich dort vor allem Hässlichen die Augen verschließen, die Realität vergessen und einfach nur Ferien machen werde.
Mac kommt ins Zimmer. «Alles in Ordnung?» Er reicht mir eine Tasse Kaffee.
«Die Sicherung ist rausgesprungen, und sie finden den Schlüssel zum Schuppen nicht, in dem der Sicherungskasten untergebracht ist. Mary hat für morgen einen Schlüsseldienst organisiert. Sie scheinen alle guter Dinge zu sein, und ich kann es gar nicht erwarten, bis wir sie wiedersehen.»
Mac lächelt geduldig. «Jetzt machen wir erst mal London unsicher. Was willst du unternehmen, während ich bei Barclays bin?»
Gute Frage. «Im Hotel bleibe ich auf gar keinen Fall.»
«Warte mal», bittet Mary Dathi. «Kannst du kurz auf Ben aufpassen? Ich will noch eine Mail verschicken, bevor wir dir einen Bikini aussuchen.»
«Kann ich bitte einen von diesen Keksen haben?» Ben schmiegt sich an sie und schaut sie mit seinem Hundeblick an.
«Sicher, Schatz.» Sie greift in ihre Tasche, öffnet die Tüte mit den
biscotti
, die sie vorsichtshalber mitgenommen hat, falls die Einkäufe länger dauern und jemand Hunger kriegt. «Willst du auch einen, Dathi?»
Dathi nimmt einen der langen Mandelkekse und bedankt sich artig.
«Fünf Minuten, dann bin ich für dich da», verspricht Mary.
Dathi geht mit Ben zu einem Regal mit italienischen Videospielen für kleine Kinder. Dahinter taucht Fremonts Haarschopf auf. Unverständliches Geplapper schallt durch das gigantisch große Geschäft und verstärkt bei Mary noch das Gefühl der Überforderung, von dem sie auch daheim in solchen überdimensionierten Einkaufsmärkten heimgesucht wird. Zum Glück haben sie hier bald alles erledigt und können nach Hause fahren, um dort zu Mittag zu essen und hinterher an einen neuen Strand zu gehen. Strände gibt es auf Sardinien nun wahrlich wie Sand am Meer, einer schöner als der andere und jeder auf seine Weise spektakulär.
Während an der Station weiter ihr Handy auflädt, tippt sie eine Mail an die Rossis.
Hallo Maria und Mario,
ich habe gute Neuigkeiten: Wir haben einen Schlüsseldienst gefunden, der morgen kommt und dafür sorgt, dass wir wieder Strom haben.
Auf der Suche nach dem Schuppenschlüssel habe ich Ihre Schränke und Kommoden durchforstet, was Sie hoffentlich nicht stört. Ich habe mich bemüht, alles so zu hinterlassen, wie ich es vorgefunden habe. Dabei bin ich auf ein Foto von einer Frau gestoßen, die ich kenne. Kennen ist vielleicht übertrieben, aber ich habe sie schon mal gesehen.
Wenn das kein Zufall ist, was dann?
Ehe sie die Mail beendet, holt Mary das Foto aus der Tasche und mustert es
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