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Der Sommer deines Todes

Der Sommer deines Todes

Titel: Der Sommer deines Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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draußen im Schuppen befindet, mit einem Leuchtmarker hervorgehoben war. Hätten sie den Schuppenschlüssel an seinem angestammten Platz – eine Schale auf dem Kühlschrank – deponiert, wäre ihr Leben jetzt viel einfacher. Scheiß drauf, dachte sie an jenem Abend in der Küche, die Wäsche kann warten. Schließlich waren sie nicht nach Sardinien gereist, um den Haushalt picobello zu halten.
    Einmal abgesehen von der winzigen Küche und der eigensinnigen Stromversorgung, ist das Haus perfekt: luftig, voller Bücher und Katzen, bodenständig und gemütlich. Soweit Mary sich erinnert, haben die Rossis nicht erwähnt, dass sieben Katzen – zwei ausgewachsene und fünf Junge – zu versorgen sind, aber im Grunde genommen ist es vollkommen egal, wie viele Tiere man füttern muss. Und da sie ihr Geschäft in dem weitläufigen Garten verrichten, muss Mary sich nicht ums Katzenklo kümmern.
    Hier ist es wie im Paradies: Es regnet nie, der Himmel ist immer strahlend blau, und tagaus, tagein ist es brüllend heiß. Mary genießt die morgendliche Routine, die sich eingestellt hat. Während die Teenager noch schlafen, frühstückt sie draußen mit Ben, spielt mit den herumtollenden Kätzchen und schreitet bei noch angenehmen Temperaturen durch die Kakteen im Vorgarten, der von drei kleinwüchsigen Palmen mit dicken, ananasartigen Stämmen dominiert wird. Allein dafür hat sich dieser Urlaub schon gelohnt. Für sie bedeutet Reisen vieles: Man kann lernen, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, neue Erfahrungen machen und Gefühlen nachspüren, die man daheim nicht empfindet. Hier im Haus der Rossis fühlt sie sich ausgesprochen wohl. Und vielleicht ist es für die Kinder eine gute Erfahrung, einmal auf die eine oder andere Annehmlichkeit zu verzichten. Das härtet ab und stärkt den Charakter.
    Trotz all dieser positiven Aspekte kann man sich um die Mittagszeit einfach nicht im Garten aufhalten.
    «Was haltet ihr von einem Picknick auf dem Wohnzimmerboden?», schlägt Mary den ermatteten Kindern vor. «Andere Länder, andere Sitten.»
    «Was für andere Sitten?», erwidert Fremont mit einem Sarkasmus, der Mary die Sprache verschlägt.
    Dieser hübsche junge Mann, gerade mal sechzehn Jahre alt, kann sich momentan nicht entscheiden, ob er sie Mom oder Mary nennen soll, ob sie eine Idiotin oder ein Engel ist, ob er sie noch braucht oder schon ohne sie zurechtkommt. Er trägt ein rotes Kopftuch, aus dem oben ein Berg krauser Haare quillt, sein nackter, von winzigen Schweißperlen überzogener Oberkörper scheint zu glühen. Obwohl er noch immer spindeldürr ist, ist er deutlich muskulöser als früher, was ihr wieder einmal vor Augen führt, dass ihr Junge im Begriff ist, ein Mann zu werden, dass sich sein Körper wahrscheinlich schneller verändert als sein Geist, dass sie ihm immer noch Grenzen setzen muss, auch wenn er dies als überflüssig erachtet. Inzwischen ist er knapp einen Meter dreiundachtzig groß und ziemlich attraktiv. Auch Dathi, die neben ihm sitzt und scheinbar über Nacht ein Teenager geworden ist, sieht in ihren weißen Hotpants und dem neuen orangenen Bikinioberteil sehr hübsch aus.
    «Free, geh und zieh dir ein T-Shirt an», meint Mary.
    «Frei bin ich ja wohl nicht wirklich», erwidert er bissig.
    «Bitte, Fremont, zieh dir etwas an. Und wenn du reingehst, kannst du gleich noch abräumen.»
    Er schnappt sich den Krug mit der lauwarmen Limonade und zwei leere Gläser und stürmt ins Haus. Dathi, die ihm mit der Platte mit schwitzendem Käse folgt, erscheint kurz darauf am Wohnzimmerfenster und verkündet: «Ich bleibe drinnen und passe auf, dass die Kätzchen nicht über unser Essen herfallen.»
    «Gut», sagt Mary, «wir kümmern uns um den Rest, nicht wahr, Benster?»
    Auf seinen kleinen Händen balanciert Ben einen Teller, als handle es sich dabei um eine Stange Dynamit. Mary sammelt das restliche Geschirr ein und geht ins Haus.
    Auf dem Wohnzimmerboden machen sie es sich auf einer Decke bequem und essen dort weiter, während sie die unermüdlichen Kätzchen verscheuchen, die schließlich klein beigeben und auf der Couch ein Mittagsschläfchen halten.
    Mary erhebt sich, um die Szene mit ihrer Handykamera einzufangen: die nur spärlich bekleideten Kinder, die wie Cäsaren auf dem Boden liegend tafeln, hinter ihnen die schlafende Katzenmeute vor dem großen quadratischen Fenster, durch das Licht in den dunklen Raum fällt. Die offen stehenden Fensterläden geben den Blick auf Palmwedel, Kakteen

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