Der Sommer deines Todes
ausgetrunken haben, sind sie immer noch zu zweit.
«Schade», sagt er und zwinkert ihr zu, nachdem er den Kreditkartenbeleg unterschrieben und für den Kellner auf den Tischrand gelegt hat. Ihr Lächeln deutet Mac als vielversprechend. Durchaus möglich, dass sie sich in einer Viertelstunde, falls der Rest der Familie immer noch nicht eingetroffen sein sollte, im Schlafzimmer vergnügen. Dass sie zweimal an einem Tag miteinander schlafen, ist zum letzten Mal vor Bens Geburt passiert.
Als wir das Auto auf der Via Degli Oleandri abstellen, ist es so finster, dass man kaum die Hand vor Augen sehen kann. Ich springe aus dem Wagen, noch bevor Mac den Motor ausgeschaltet hat, gehe die Straße hoch und runter. Weit und breit kein anderes Fahrzeug in Sicht. Hat Mary das Auto vielleicht im Hof geparkt? Ich stoße das Tor auf, dessen lautes Quietschen die Stille der Nacht zerreißt. Im Vorgarten springen nur die Katzen umher.
Keine Spur von Giulias Zweitwagen.
Entgeistert drehe ich mich zu Mac um, der mir einen finsteren Blick zuwirft. Seine Stimmung verschlechtert sich schlagartig, und es kommt mir so vor, als würden sich plötzlich all seine Energiereserven in Luft auflösen.
«Was, wenn Giulia sie hier abgesetzt hat und mit dem Wagen heimgefahren ist?», gibt Mac zu bedenken.
«Im Haus brennt kein Licht.»
«Vielleicht schlafen sie schon.»
«Wären sie nicht aufgeblieben, um auf uns zu warten? Sie hätten doch unsere Sachen sehen und wissen müssen, dass wir schon da sind.»
«Nicht, wenn sie müde waren. Zumindest nicht die Kinder.»
Tief in meinem Innern weiß ich, dass Mary aufgeblieben wäre.
«Falls keiner da ist, rufen wir noch mal Giulia an», schlägt Mac vor.
Die Kätzchen folgen uns ins dunkle Haus, wo ich als Erstes die Deckenlampe einschalte. Seit wir zum Essen gegangen sind, hat sich hier nichts verändert. Jedes Staubkorn ist noch genau dort, wo es vor ein paar Stunden gelegen hat.
Mac überfliegt die Informationen der Rossis, wählt Giulias Nummer und wartet, während es am anderen Ende der Leitung ewig klingelt und keiner abnimmt.
«Wir müssen die Rossis anrufen», drängt Karin, «und nachfragen, ob sie wissen, wo Giulia stecken könnte.»
«Okay.» Da in Brooklyn auch keiner ans Telefon geht, versucht Mac, Mario auf dem Handy zu erreichen.
«Pronto.»
«Mario, hier spricht Mac. Mit dem Haus ist alles in Ordnung, aber es gibt ein anderes Problem.» Er schildert ihm die Lage vor Ort in allen Einzelheiten.
«Das wundert mich aber», meint Mario. «Sardinien ist ein sicherer Ort. Ist mir schleierhaft, wie so etwas passieren kann. Waren Sie schon bei der Polizei?»
«Bislang noch nicht. Mary hat Giulias Auto geborgt. Das hat Giulia uns zumindest gesagt. Wir haben versucht, sie telefonisch zu erreichen, doch sie geht nicht ran.»
«Wenn Sie ihr eine Nachricht hinterlassen, ruft sie Sie später sicher zurück.»
«Wissen Sie vielleicht, was für einen Wagen Giulia fährt? Modell, Farbe, Kennzeichen? Jede Information könnte nützlich sein.»
«Aber sicher. Giulia hat zwei Autos. Ich gehe mal davon aus, dass sie ihnen den Peugeot gegeben hat, denn er ist deutlich größer. In ihren Fiat passen nur zwei Personen.»
«Kennen Sie die Modelle und das Alter der Fahrzeuge?»
«Der Peugeot ist blau, der Fiat weiß. Hilft Ihnen das weiter?»
«Ein wenig. Mario, falls Ihnen noch etwas einfallen sollte, melden Sie sich bitte. Wir drehen langsam durch.»
Mario, der nicht begreift, was Mac damit meint, schweigt.
«Wir sind nervös», führt Mac aus. «Verängstigt. Besorgt.»
«Ja, ich verstehe.»
«Falls Sie von Giulia hören …»
«Werde ich sie bitten, sich sofort bei Ihnen zu melden. Sie ist eine unserer engsten Freundinnen und wird Ihnen auf jeden Fall helfen.»
«Danke.»
«Es kommt alles wieder in Ordnung, versprochen.»
Nach dem Gespräch sagt Mac zu mir: «Ich kann es nicht ausstehen, wenn mir jemand verspricht, dass alles wieder in Ordnung kommt. Klingt in meinen Ohren immer wie ein Todesurteil.» Er nimmt wieder den Zettel in die Hand.
«Wen willst du jetzt anrufen?»
«Polizia.»
Während es läutet, bemerkt er, dass sein Herz viel zu schnell schlägt. Und er registriert Karins panischen Blick, der ihm einen schweren Stich versetzt. Sie hat eine Heidenangst, das Gleiche wie damals durchmachen zu müssen, abermals die Kontrolle zu verlieren. Allein das Wort Polizei, wenn auch in einer fremden Sprache, löst bei ihr Entsetzen aus.
«Auf Italienisch kriegen wir das
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