Der Sommer deines Todes
Künstler und Maria, soweit ich weiß, Hausfrau und Muse, die sich darum kümmert, dass im Haus und auch sonst alles wie geschmiert läuft. Ohne die Eisengitter, das Eingangstor, ohne die schweren Fenster und Türen wären die Rossis mit ihren makellosen Referenzen über jeden Verdacht erhaben.
Eine kurze Google-Suche nährt meine Zweifel: Die Rossis haben das Haus erst vor fünf Jahren von einer Firma gekauft. Diente das Haus früher als Versteck für die Camorra? Schlechtes Karma, würde Mary jetzt sagen. Kaum denke ich an sie, an Ben, Dathi, Fremont und Mac, kehrt wieder dieser verfluchte Juckreiz zurück. Ich kratze mich so lange, bis meine Arme von roten Striemen überzogen sind, schenke mir das dritte Glas Wein ein und beschließe in allerletzter Minute, die Finger davon zu lassen. Ich muss unbedingt einen klaren Kopf behalten.
Es wird langsam dunkel, und die Hitze des Tages lässt spürbar nach. Ich gehe auf die Veranda und beobachte, wie die Kätzchen im Abendrot kreuz und quer durch das Rankgitter tollen, das vom Eingangstor bis zum Haus reicht. Die Katzenmutter beobachtet das Treiben ihrer Kleinen gelassen, worum ich sie beneide. Und dann kommt eins von den schwarzen Kätzchen zu mir gelaufen, als wolle es mich trösten. Ich hebe es auf und lausche seinem leisen Schnurren in der Hoffnung, dass es mich beruhigt. «Ich liebe dich, Ben», flüstere ich dem Kätzchen zu. Seine Rippen fühlen sich sehr zerbrechlich an. Kaum habe ich das kleine Ding abgesetzt, beginnen meine Hände wieder zu zittern.
Zur Ablenkung konzentriere ich mich auf den morgigen Tag und stelle eine Liste mit Aufgaben zusammen, die ich erledigen werde, während Mac sich um seinen Part kümmert.
Dass ich hier einfach nur Däumchen drehe, ist vollkommen ausgeschlossen. Ich muss meinen Verstand benutzen. Mich auf die Suche machen.
Ich unternehme einen weiteren, vergeblichen Versuch, mit Enzio Greco zu sprechen, schalte den Fernseher ein, zappe durch die Kanäle auf der Suche nach einem lokalen Nachrichtensender, der vielleicht von der Suche nach meinen Liebsten berichtet. Zu meinem Bedauern zeigen sie nur Bilder von Touristen, die glücklich am Strand liegen, den Wetterbericht und Ebbe- und Flutzeiten.
Obwohl ich nicht hungrig bin, stelle ich einen Topf mit Wasser auf den Herd. Bis es kocht, gehe ich mit einer neuen Ladung frisch gewaschener Kinderwäsche in den Garten. Zuerst hänge ich die knochentrockene Wäsche ab und lege T-Shirts, Jeans, Socken, Unterwäsche und Marys und Dathis Sommerkleider zusammen. Von der heißen Sonne ist der Stoff ganz steif und riecht ungewohnt. Der Duft hat eine exotische, blumige Note, die ich nicht einordnen kann.
Als ich versuche, Bens nasse Socken aufzuhängen, bricht eine Wäscheklammer auseinander. Mit zitternden Händen hebe ich die Einzelteile auf und werfe sie ins Körbchen, in dem schon mehrere kaputte Klammern liegen. Ich lasse den Blick über den Garten schweifen und stelle wieder einmal fest, dass ich immer noch kein Gefühl für diese Insel entwickelt habe. Dann drehe ich den Kopf in die Richtung, wo ich das Meer vermute.
Dathi streckt die Hand aus, zieht Fremont hinter sich her und drängt ihn: «Ich glaube, wir können jetzt los.» In der Dunkelheit wird sie keiner sehen. Das bisschen Licht, das die vereinzelten Straßenlampen spenden, hilft ihnen, sich zu orientieren. Dathi meint, in der Ferne eine von diesen Open-Air-Bars für Touristen zu erkennen, wo sie zwischen den vielen Gästen nicht weiter auffallen werden und vielleicht etwas zu trinken organisieren können.
Trotz den lauen Temperaturen ist Fremonts Hand feuchtkalt. Da sie schon seit längerem nichts mehr getrunken haben, wird Dathi wieder schwindelig. Nach einer kurzen Pause gehen sie weiter.
«Schaffst du es?», flüstert er.
«Ja.»
«Wenn ich nicht bald was zu trinken kriege, krepiere ich.»
«Psst.»
Auf der engen Straße, die zu einem einfachen, kleinen Hotel führt, kommt ihnen ein Fahrzeug entgegen. Ein Stück weiter vorn entdeckt Dathi ein Schild, auf dem
Matta Village
steht. Sie bleiben stehen und warten ungeduldig im Scheinwerferlicht, bis der Wagen vorbeigefahren ist. Glücklicherweise nimmt der Fahrer keine Notiz von ihnen. Erst als das Auto in der Dunkelheit verschwindet, trauen sie sich, wieder Luft zu holen und weiterzugehen.
«Scheiße», schimpft Fremont.
«Nicht so laut.»
Dathi ist schon einmal abgehauen und weiß, dass man in Bewegung bleiben muss, dass man nachts weniger auffällt, dass man
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